Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifauslegung
Leitsatz (amtlich)
Entgegen dem Wortlaut des Tarifvertrages kann das zusätzliche Urlaubsgeld nicht nur für den genommenen sondern auch für abzugeltenden Urlaub beansprucht werden.
Normenkette
RTV für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- u. Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betongewerbe) Nordwestdeutschland vom 14.09.1993 § 13 IV zusätzliches Urlaubsgeld
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 11.03.1997; Aktenzeichen 6 Ca 698/96) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11.03.1997 – 6 Ca 698/96 – abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 416,– DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich errechnenden Nettobetrag ab 02.02.1996 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Auslegung des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschland vom 14.09.1993. In diesem Tarifvertrag heißt es unter „§ 13 IV Zusätzliches Urlaubsgeld” wie folgt:
„1. Nach einer einjährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld für den nach Ablauf der einjährigen Frist genommenen und auf die Zeit nach dieser Frist entfallenden Urlaub.”
Der Kläger hatte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses 12 oder 13 ihm nach dem Tarifvertrag zustehende Erholungsurlaubstage für das Jahr 1995 noch nicht genommen. Er hat unter Berufung auf § 13 IV TV für 13 Tage abzugeltenden Urlaub „zusätzliches Urlaubsgeld” geltend gemacht und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 416,– DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich errechnenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat
Klageabweisung
beantragt.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Tarifvertrag gewähre einen Urlaubsgeldanspruch nur für tatsächlich genommene, nicht aber abgegoltene Urlaubstage.
Das Arbeitsgericht hat bei den Tarifvertragsparteien Auskünfte eingeholt. Bezüglich der abgegebenen Erklärungen wird auf Bl. 25 bis 35 d.A. Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Auffassung ausgeführt, der Wortlaut der strittigen Regelung besage, daß Urlaubsgeld nur für „genommenen” Urlaub zu zahlen sei. Die wörtliche Auslegung entspreche dem Sinn des Begriffes „genommen” im Bundesurlaubsgesetz. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dem Begriff in der hier maßgeblichen Norm einen anderen Sinn beizulegen. Die Tatsache, daß dem Arbeitnehmer durch die tarifliche Regelung im Krankheitsfalle ohne sein Verschulden der Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld entgehen könne, sei deshalb unbedenklich, weil das Bundesurlaubsgesetz den bis zum Ende des Übertragungszeitraums wegen Krankheit nicht genommenen Urlaub sogar dem Verfall anheimgebe.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Er vertritt die Auffassung, ihm stehe das zusätzliche Urlaubsgeld gemäß § 13 IV Ziff. 1 des Rahmentarifvertrages auch bei einer Abgeltung des Urlaubs zu. Die abweichende wörtliche Tarifauslegung des Arbeitsgerichts verkenne, daß die Parallele zur Bestimmung des § 7 Abs. 3 Satz 3 Bundesurlaubsgesetz nicht zulässig sei, die den Begriff „genommen” in einem völlig anderen Zusammenhang gebrauche. Vorliegend sei es so, daß er den nicht mehr in natura genommenen Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten verwirklicht habe. Auch für diese Form der Urlaubsgestaltung stehe ihm das zusätzliche Urlaubsgeld zu.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom
11.03.1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 416,00 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Auffassung fest, daß die Tarifvertragsparteien die Urlaubsnahme in natura als Bedingung für die Gewährung des tariflichen Urlaubsgeldes gewollt hätten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hatte Erfolg.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hält die Kammer eine Auslegung des Tarifvertrages dahingehend für geboten, daß das zusätzliche Urlaubsgeld trotz des Wortlauts der Ziffer IV 1 des Tarifvertrages auch im Abgeltungsfall zu zahlen ist.
Die Auskünfte der Verbände geben für die Ermittlung eines gemeinsamen Willens der Tarifvertragsparteien nichts her. Sie sind wie üblich von der jeweiligen Interessenlage bestimmt.
Die wörtliche Auslegung des Tarifvertrages spricht zweifelsfrei für die Auffassung des Arbeitsgerichts. Diese erscheint der Kammer jedoch zu vordergründig. Sie läßt sich auch aus der Verwendung des auszulegenden Begriffes „genommen” im Bundesurlaubsgesetz in einem ...