Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Betriebsübergang einer insolventen Luftfahrtgesellschaft. Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung mangels unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung
Leitsatz (amtlich)
Teil einer Massensache in Zusammenhang mit der Insolvenz einer Luftfahrtgesellschaft, vgl. Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 11. August 2021 - 4 Sa 107/21 -, juris, dort vollständig dokumentiert.
Normenkette
AÜG § 10 Abs. 1; BGB § 613a Abs. 1; InsO § 113; KSchG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.05.2021; Aktenzeichen 3 Ca 4673/20) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.05.2021 - 3 Ca 4673/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger und der Beklagte zu 1) streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund betriebsbedingter Kündigung. Mit der Beklagten zu 2) streitet der Kläger darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Der Beklagte zu 1) ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Luftfahrtgesellschaft X. mbH (im Folgenden: Schuldnerin). Die Beklagte zu 2) ist eine Low-Cost-Airline der M. Group mit einer Flotte von aktuell 139 Flugzeugen. Ihr Sitz ist K. und sie beschäftigt ca. 9.000 Mitarbeiter.
Der am 14.07.1988 geborene Kläger war seit dem 21.07.2017 bei der Schuldnerin aufgrund Arbeitsvertrags vom 21.07.2017 i.V.m. Entfristungsvereinbarung vom 11.04.2018 als Copilot zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von zuletzt EUR 7.579,00 beschäftigt. Er war zuletzt am Flughafen K. stationiert und wurde auf dem Flugzeugtyp Dash 8 Q400 eingesetzt.
Die Schuldnerin ist eine deutsche Fluggesellschaft, die im Jahr 1980 von Herrn C. X. gegründet wurde, der zugleich Inhaber des einzigen Geschäftsanteils an der Schuldnerin war. Die Geschäftsführung der Schuldnerin war in K. ansässig. Dies galt auch für die Personalabteilung, die bundesweit für die Arbeitnehmer der Schuldnerin zuständig war. Bodenmitarbeiter waren in K. und C. tätig. Das fliegende Personal nahm die Arbeit von den Flughäfen in Düsseldorf, Berlin-Tegel, Stuttgart und Nürnberg auf. Über eigene Räumlichkeiten für das fliegende Personal verfügte die Schuldnerin an diesen Flughäfen nicht. Die Schuldnerin war bis zuletzt dergestalt tätig, dass sie nicht eigenständig am Markt als Anbieterin von Flugreisen gegenüber Endkunden auftrat, sondern Flugzeuge im Rahmen eines sog. Dry-Lease von Dritten leaste und diese Flugzeuge mit eigenen Arbeitnehmern im Rahmen eines sog. Wet-Lease an andere Fluggesellschaften verleaste, damit diese die Flugzeuge zusammen mit den Arbeitnehmern der Schuldnerin zur Durchführung von (Linien-) Passagierflügen einsetzen konnten. Hierzu wurden auf Basis von sogenannten ACMIO-Verträgen (ACMIO = Aircraft, Crew, Maintenance, Insurance, Operation) die Flugzeuge der Schuldnerin nebst Personal zu festen Sätzen auf Zeitbasis (in der Regel sogenannte Blockstunden) geleast. Die Schuldnerin beschäftigte zuletzt insgesamt ca. 348 Arbeitnehmer, die in den Bereichen Boden, Kabine und Cockpit tätig waren. Für das Boden- und Kabinenpersonal waren keine Arbeitnehmervertretungen gebildet. Für die Arbeitnehmer des Bereichs Cockpit war gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG durch den Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 vom 05./10.02.2014 (im Folgenden: TV PV) die Personalvertretung Cockpit errichtet worden.
Anfang 2017 wurde der einzige Geschäftsanteil an der Schuldnerin von der Air C. PLC & Co. Luftfahrtgesellschaft (im Folgenden: Air C.) übernommen. In der Folgezeit leaste die Schuldnerin jedenfalls 15 Dash 8 Q400 Maschinen im Wege des Dry-Lease, sei es von Air C., sei es von der Deutschen M. AG (im Folgenden: E. AG) bzw. Unternehmen des Lufthansakonzerns. Nach der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Air C. im August 2017 wurden die Geschäftsanteile an der Schuldnerin mit Anteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 13.10.2017 an die M. D. Holding GmbH (im Folgenden: M. GmbH) veräußert. Die M. GmbH ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der E. AG. Die Beklagte zu 2) ist ebenfalls eine 100%ige Tochtergesellschaft der E. AG. Zwischen ihr als beherrschter Gesellschaft und der E. AG als beherrschender Gesellschaft besteht ein Beherrschungsverhältnis aufgrund des Beherrschungsvertrages vom 05.03.2012, zuletzt geändert am 14.03.2013.
Am 25.10.2017 schloss die Beklagte zu 2) mit der Schuldnerin einen ACMIO Rahmenvertrag (im Folgenden: ACMIO RV). In diesem hieß es u.a.:
"Dieser ACMIO RAHMENVERTRAG (dieser Vertrag) wird ...
ZWISCHEN
(1) Luftfahrtgesellschaft X. mbH ... (Leasinggeber)
und
(2) F. GmbH ... (Leasingnehmer)
(Leasinggeber und Leasingnehmer werden einzeln auch als Vertragspartei und zusammen als Vertragsparteien bezeichnet)
geschlossen.
IN ANBETRACHT DER TATSACHE, DASS
(A) der Leasinggeber beabsichtigt, eine bestimmte kommerzielle Fahrgastbeförderung für den Leasingnehmer...