Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang nach „Betriebsaufgabe”-Kündigung des Veräußerers
Leitsatz (amtlich)
1. § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB setzt nicht voraus, dass die Betriebsveräußerung der tragende Beweggrund für die Kündigung gewesen ist. Vielmehr ist die „Betriebsaufgabe"-Kündigung des Veräußerers gegenüber dem Erwerber (relativ) unwirksam, wenn es objektiv und (regelmäßig) bis zum Kündigungstermin zu einem Betriebsübergang gekommen ist.
2. Der „Fortsetzungsanspruch” richtet sich auf Weiterbeschäftigung und unterliegt – anders als der „Wiedereinstellungsanspruch” – keinen Einschränkungen nach § 242 BGB.
3. Im Licht des EuGH-Urteils vom 12.02.2009, C-466/07 Klarenberg, ist nach Art. 1 Abs. 1 b der EGRL 2001/23 notwendig, aber auch ausreichend, dass der Erwerber einen Betriebsteil des Veräußererbetriebs dergestalt in seinen Betrieb integriert, dass dessen operative und funktionelle Ressourcen beibehalten und diese innerbetrieblich gleichartig, wenn auch womöglich zu einem anderen unternehmerischem Geschäftsziel, wirtschaftlich genutzt werden. Der Betriebsteilübergang scheitert nicht ohne weiteres daran, dass der Erwerber ein anderes Wertschöpfungsziel verfolgt und seine „Nachfolge” mit einem anderen Betriebskonzept bzw. Betriebszweck einhergeht.
Das Klarenberg-Urteil ändert nichts an dem „7-Punkte-Katalog” (EuGH 29.07.2010 – C 151/09 UGT-FSP – Rn. 27 [36]).
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1, 4; KSchG § 1 Abs. 2; EGRL 2001/23 Art. 4 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Urteil vom 28.04.2010; Aktenzeichen 1 Ca 1272/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 28.04.2010 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger streitet mit der Beklagten zu 1) über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung. Des Weiteren will der Kläger festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis zum 01.01.2010 auf die Beklagte zu 2) übergangen ist, und verlangt hilfsweise von dieser Weiterbeschäftigung bzw. Wiedereinstellung.
Der Kläger, am 26.6.1954 geboren, verheiratet, war seit dem 29.01.1986 als Versandmitarbeiter bei der Beklagten zu 1), einem in N. ansässigen Handelsunternehmen, beschäftigt. Die Beklagte zu 1) belieferte als Vollsortimenter Einzelhändler in der Lederwaren-Branche. Sie hielt u.a. den Markennamen „F.”.
Sie trat als Vollsortimenter der Lederwaren-Branche auf und hielt u.a. den Markennamen „F.”.
Die Beklagte zu 1) unterhielt neben den – im Eigentum ihres Alleingesellschafters und Alleingeschäftsführers, des am 21.12.1929 geborenen I.K. Q. stehenden – Geschäftsräumlichkeiten am L. Berg das angemietete Außenlager N. Straße. Sie nahm gleichzeitig die Vertriebsaufgaben für die T. Design GmbH wahr, die ebenfalls Herrn I.K. Q. als Alleingesellschafter und -geschäftsführer hat und keine eigenen Mitarbeiter beschäftigte.
Am 25.05.2009 beschloss Herr I.K. Q. als Alleingesellschafter der Beklagten zu 1) deren Auflösung; die handelsregisterliche Eintragung der Liquidation folgte am 15.07.2009 nach. Am 27.10.2009 beschloss Herr Q. die Auflösung auch der T. Design GmbH und deren Liquidation.
Am 25.05.2009 zeigte die Beklagte zu 1) der Agentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung sämtlicher 34 Arbeitnehmer an. Unter dem 28.05.2009 stimmte die Agentur der Maßnahme zu. Mit Schreiben vom 29.05.2009 erklärte die Beklagte zu 1) gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2009. Außerdem kündigte sie fristgerecht am 29.05.2009 bzw. – nach eingeholter behördlicher Genehmigung – den anderen Arbeitnehmern. Sie verfasste unter dem 29.05.2009 ein Kündigungsschreiben an die für sie tätigen Handelsvertreter und unterrichtete in einem Rundschreiben aus Juni 2009 ihre Kundschaft von der beabsichtigten Geschäftsaufgabe zum Jahresende 2009. Mit Rundschreiben vom 16.07.2009 ging die Information auch an Lieferanten; ob das Schreiben nur an die indischen oder auch an die chinesischen Lieferanten versendet wurde, ist streitig. Die Fachzeitschrift „Lederwaren-Report” berichtete in der Ausgabe 7/2009, S. 22 f., über die Liquidation der Beklagten zu 1) zum 31.12.2009.
Am 19.06.2009 hat der Kläger beim Arbeitsgericht Oberhausen Kündigungsschutzklage eingereicht. Mit Schriftsatz vom 05.03.2010 hat er die Klage gegen die Beklagte zu 2) zu erweitert und diese auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 01.01.2010 in Anspruch genommen.
Die Beklagte zu 2) hat die Tochter des I.K. Q. und deren Ehemann als Alleingesellschafter und -geschäftsführer. Beide waren bei der Beklagten zu 1) angestellt gewesen. Die Beklagte zu 2) hat ihre Geschäftsadresse inzwischen von der Wohnanschrift der beiden Geschäftsführer hin zu Räumlichkeiten auf der L. Straße verlegt. Seit Beginn des Jahres 2010 vertreibt sie im Wesentlichen Damen-Handtaschen aus Naturleder an Einzelhändler. Zumindest eine große Anzahl der Einzelhändler war zuvor Kunde der Beklagten zu 1) gewesen. Die Beklagte zu 2) erwarb von der Beklagten zu 1) d...