Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die eigenhändige Unterschrift im Berufungsschriftsatz, Kontrollschaffner als „Kontrolleure im Außendienst” iSv Ziffer 2.A., 2.0.4 Lohntarifvertrag für das Wach – und Sicherheitsgewerbe in NRW vom 17.04.08
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Namenszeichen eines Prozessbevollmächtigten unter einen bestimmten Schriftsatz (hier Einlegung der Berufung) ist nur dann als Paraphe und nicht als Unterschrift zu werten, wenn es sich als bewusste und gewollte Namensverkürzung darstellt. Hat ein Gericht ein Namenszeichen über einen längeren Zeitraum als den gesetzlichen Anforderungen genügende Unterschrift gewertet, kann das Gericht aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht ohne vorherige Warnung von der bisherigen Handhabung abweichen.
2. Ein Kontrollschaffner im öffentlichen Personennahverkehr ist ein„Kontrolleur im Außendienst” im Sinne von Ziffer 2.A 2.0.4 Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 17.04.2008.
Normenkette
ZPO § 130 Nr. 6; Ziff. 2.A 2.0.4 Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in NRW vom 17.04.08
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Urteil vom 01.10.2009; Aktenzeichen 1 Ca 2172/08) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 01.10.2009 – Az. 1 Ca 2172/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die 28 Jahre alte, ledige Klägerin war zwischen dem 15.02.2007 und dem 15.08.2009 als Kontrollschaffnerin bei der Beklagten beschäftigt. Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 07.02.2007, wegen dessen weiterer Einzelheiten auf Bl. 5 f. der Akte verwiesen wird, betrug der Stundenlohn der Klägerin nach Ablauf der sechsmonatigen Probezeit 8,50 EUR brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen Anwendung, die zusätzlich im Arbeitsvertrag der Parteien in Bezug genommen wurden.
Der danach anwendbare Lohntarifvertrag (im folgenden LTV) lautet auszugsweise wie folgt:
2. Löhne
(…)
2.04 Kontrolleure im Außendienst und Schichtführer im Revierwachdienst Stunden-Grundlohn 10,45
(…)
2.0.10. Beschäftigung in der Bewachung in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs, sowie Mitarbeiter im Ordnungsdienst in Bahnhöfen Stunden-Grundlohn 11.04
(…)
5. Allgemeine Bestimmungen
(…)
5.2 Ansprüche aus diesem Lohntarifvertrag müssen spätestens drei Monate nach Fälligkeit geltend gemacht werden.
Als Kontrollschaffnerin oblagen der Klägerin insbesondere die folgenden Aufgaben:
- Durchführung von Fahrausweisprüfungen nach erfolgter Kontrollschaffnerausbildung
- Berechtigung und Verpflichtung zur Entgegennahme des erhöhten Beförderungsentgelts nach Maßgabe der Beförderungsbedingungen der Rheinbahn bei Zahlungswillen des Kunden
- Überwachung der Einhaltung der Allgemeinen Beförderungsbedingungen – Aktiver Dienst am Kunden in Form der Erteilung von Auskünften zu Verkehrsverbindungen, Tarifen und Örtlichkeiten sowie die Leistungs- und Hilfestellung gegenüber allen, insbesondere mobilitätsbehinderten Kunden
- Hilfestellung bei der Bedienung von Ticketautomaten
- Erkennen und Melden von Gefahrenzuständen
Mit der vorliegenden, am 09.12.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 14.07.2009 erweiterten Klage hat die Klägerin, soweit für die Berufungsinstanz noch von Bedeutung, unter anderem eine Differenzlohnzahlung für 80 Arbeitsstunden in den Monaten April und Mai 2009 geltend gemacht, die die Beklagte mit einem Stundenlohn von 9,14 EUR brutto vergütet hat. Erstmals im Schriftsatz vom 13.07.2009 hat die Klägerin die Auffassung vertreten, wenn ihr keine Vergütung nach Maßgabe der Lohngruppe 2.0.10 zustehe, so doch zumindest eine nach Lohngruppe 2.0.4 (Stundenlohn 10,45 EUR brutto). Genau das ergebe sich aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.02.2009 zum Revisionsrechtsstreit 4 AZR 41/08, an dem die Beklagte – unstreitig – beteiligt war. Sie, die Klägerin, mache sich die dortige Argumentation des BAG zu Eigen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.465,74 EUR brutto und 21,– EUR netto nebst Zinsen von 5 Prozent über dem Basiszinssatz von 659,11 EUR brutto und 21,– EUR netto seit dem 09.12.2008 und von 806,63 EUR brutto seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen;
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 250,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.06.2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansprüche der Klägerin für weitgehend verfallen gehalten. Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass in Lohngruppe 2.0.4 nur Mitarbeiter mit Vorgesetztenfunktionen wie etwa die dort ausdrücklich genannten Schichtführer im Revierdienst eingruppiert seien. Eine derartige Funktion übten die Kontrollschaffn...