Leitsatz (amtlich)

1. Ein Kind mit einem Geburtsgewicht von unter 2500 g ist eine Frühgeburt i.S. des § 6 Abs. 2 MuSchG. Für den Nachweis ist ausreichend die Bescheinigung der Hebamme oder des Arztes über das Geburtsgewicht.

2. In einem solchen Fall hat die Mutter Anspruch auf Zahlung von Mutterschaftsgeld für die Dauer von 12 Wochen (§ 14 Abs. 1 i.V. mit § 6 Abs. 1 S. 2 MuSchG).

 

Leitsatz (redaktionell)

Kurze Inhaltsangabe

Die Parteien streiten, ob eine Frühgeburt nur anzunehmen ist, wenn die Geburt nach der 28. und vor der 37. Schwangerschaftswoche erfolgt (medizinische Definition) oder auch dann, wenn das Geburtsgewicht unter 2500 g liegt (überwiegende Literaturmeinung).

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Urteil vom 03.11.1995; Aktenzeichen 1 Ca 2661/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.03.1997; Aktenzeichen 5 AZR 329/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 03.11.1995 verkündeteUrteil des Arbeitsgerichts Duisburg – 1 Ca 2661/95 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, wie lange die Beklagte zur Zahlung des Zuschusses gemäß § 14 MuSchG verpflichtet ist.

Die Klägerin, die bei der Beklagten als Steuerassistentin tätig ist, hat am 04.06.1995 von einem Kind entbunden, das ein Geburtsgewicht von 2020 g hatte, wie durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesen ist.

Die Beklagte gewährte den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 MuSchG nur für die Dauer von acht Wochen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bei dem Kind habe es sich um eine Frühgeburt gehandelt, so daß die Zahlungsverpflichtung der Beklagten für die Dauer von zwölf Wochen bestehe.

Sie hat den Antrag gestellt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.856,38 DM netto Mutterschaftsgeld zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, eine Frühgeburt liege unter Zugrundelegung der medizinischen Definition nicht vor.

Das Arbeitsgericht Duisburg hat mit Urteil vom 03.11.1995, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe im übrigen verwiesen wird, der Klage stattgegeben. In den Gründen hat es ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf Mutterschaftsgeld für die Dauer von zwölf Wochen nach der Entbindung, weil das Kind ein Geburtsgewicht unter 2500 g gehabt habe und damit die Vorschrift das § 6 Abs. 1 S. 2 MuSchG entsprechend anwendbar sei. Die analoge Anwendung sei geboten, weil sich für das Kind in der Regel bei einem Geburtsgewicht unter 2500 g eine erhöhte Pflegebedürftigkeit ergebe.

Gegen das ihr am 11.12.1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.12.1995, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am 02.01.1996, Berufung eingelegt und sie mit Schriftsatz vom 02.01., eingegangen am 26.01.1996, begründet.

Sie vertritt unter Hinweis auf die medizinische Definition weiter die Auffassung, weder liege eine Frühgeburt bei einem Geburtsgewicht unter 2500 g vor, noch sei die analoge Anwendung des § 6 Abs. 1 S. 2 MuSchG angezeigt.

Sie stellt den Antrag,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Duisburg – 1 Ca 2661/95 – vom 03.11.1995 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und überreicht Entlassungsbericht des Krankenhauses, aus dem sich ergebe, daß bei ihrem Kind eine erhöhte Pflegebedürftigkeit vorgelegen habe.

Auf den Akteninhalt im übrigen wird verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG) und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. mit §§ 518 ff. ZPO), also zulässig.

II.

Sie ist jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den geltend gemachten Anspruch zuerkannt.

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung des Mutterschaftsgeldes für die Dauer von zwölf Wochen, da sie die Anspruchsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 i. V. mit § 6 Abs. 1 S. 2 MuSchG erfüllt.

Der Anspruch auf Zahlung von Mutterschaftsgeld besteht für die Dauer von zwölf Wochen, wenn eine Frühgeburt vorliegt.

Nach der medizinischen Definition (vgl. Pschyrembel 257. Aufl. 1194) ist eine Frühgeburt die Geburt nach der 28. und vor der 37. Schwangerschaftswoche. Auch nach der Definition im Brockhaus-Wahrig wird als Frühgeburt bezeichnet die Geburt eines lebensfähigen Kindes vor Ablauf der neun Monate.

Dagegen vertritt die h. M. in Übereinstimmung mit dem Bescheid des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 05.05.1962 – III b 2/1490/62 – die Auffassung, eine Frühgeburt sei anzunehmen, wenn das Kind weniger als 2500 g wiege oder trotz höheren Geburtsgewichts wegen noch nicht voll ausgebildeter Reifezeichen oder wegen verfrühter Beendigung der Schwangerschaft einer wesentlich erweiterten Pflege bedürfe (Gröniger/Thomas MuSchG § 6 Rz. 6; Zmarzlik/Zipperer/Viethen 7. Aufl. Rz. 8; Peters Handbuch der Krankenversicherung 18. Aufl. § 195 RVO Anm. 3 f.; zweifelnd Bulla/Buchner 5. Aufl. Rz. 12 unter Bezugnahme auf Töns Mutterschaftshilfe und Mutterschutz § 195 VO Anm. 5 e –; a.A. He...

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