Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücktritt vom Aufhebungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das wegen Nichtzahlung der in einem Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung nach § 323 BGB ausgeübte Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass zum Zahlungstermin (Ende des Arbeitsverhältnisses) das Insolvenzantragsverfahren eingeleitet ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter kann nicht wirksam seine Zustimmung zur Auszahlung der Abfindung verweigern, nachdem der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag bereits erfüllt hat.

2. Parallelverfahren zu 12 Sa 962/10 (Kammerurteil vom 20.01.2010)

 

Normenkette

BGB § 323; InsO §§ 21, 55, 103 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 10.11.2009; Aktenzeichen 2 Ca 297/09 lev)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.11.2011; Aktenzeichen 6 AZR 583/10)

 

Tenor

I.

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 10.11.2009 wird zurückgewiesen.
  2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 01.01.2010 von der Beklagten zu 2) auf die Beklagte zu 3) übergegangen ist.

II. Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten zu je 1/3.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A. Der Kläger streitet mit dem Beklagten zu 1) darüber, ob das Arbeitsverhältnis, das zwischen ihm und der Schuldnerin bestanden hat, aufgrund einer am 28.09.2007 geschlossenen Aufhebungsvereinbarung zum 31.12.2008 geendet oder ob er, der Kläger, unter dem 26.01.2009 den wirksamen Rücktritt von der Aufhebungsvereinbarung erklärt hat, weil die Schuldnerin wegen des zwischenzeitlich eingeleiteten Insolvenzeröffnungsverfahrens nicht die nach der Aufhebungsvereinbarung geschuldete Abfindung gezahlt hatte. Der Kläger nimmt weiterhin die Beklagte zu 2) als Betriebserwerberin auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Anspruch und hat von ihr die tatsächliche Weiterbeschäftigung verlangt; diese hält – wie der Beklagte zu 1) – entgegen, dass der Kläger von der Aufhebungsvereinbarung nicht habe zurücktreten können und daher das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2008 beendet worden sei. Der Kläger hat schließlich im Berufungsverfahren auch die Beklagte zu 3), die zum 01.01.2010 den Betrieb übernommen hat, auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen.

Der am 05.07.1951 geborene Kläger war seit dem 24.07.1973 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt.

Im Jahre 2007 führte die Schuldnerin eine – von einem Interessenausgleich und Sozialplan vom 31.08.2007 begleitete – Restrukturierungsmaßnahme durch. Der Sozialplan ermöglichte gewerblichen Arbeitnehmern in einem Lebensalter ab 50 Jahren das freiwillige Ausscheiden gegen Abfindungszahlung. Daraufhin verständigten sich der Kläger und die Schuldnerin über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2008 gegen Abfindungszahlung. Nach § 5 des Aufhebungsvertrages vom 28.09.2007 (Bl. 15 ff. GA) sollte der Kläger zum Zeitpunkt der vereinbarten Beendigung eine Abfindung in Höhe von EUR 100.400,00 erhalten.

Am 08.12.2008 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.12.2008 erinnerte der Kläger die Schuldnerin an die pünktliche Abrechnung der vereinbarten Abfindung. Die Schuldnerin zahlte nicht den Abfindungsbetrag aus, weil der Beklagte zu 1) als vorläufiger Insolvenzverwalter unter Hinweis auf die insolvenzrechtliche Massesicherungspflicht die Zustimmung zur Auszahlung verweigerte.

Am 08.01.2009 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit dem Beklagten zu 1) ein Telefonat, in dem dieser erklärte, keine Zustimmung zu Zahlungen auf den Abfindungsanspruch des Klägers zu erteilen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.01.2009 forderte der Kläger die Schuldnerin unter Fristsetzung zur Abrechnung und Auszahlung der Abfindung auf und kündigte gleichzeitig für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs den Rücktritt von der Aufhebungsvereinbarung an. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.01.2009 erklärte er den Rücktritt.

Am 01.03.2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger hat mit der am 16.02.2009 beim Arbeitsgericht Solingen gegen die Schuldnerin eingereichten Klage die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Aufhebungsvereinbarung vom 28.09.2007 zum 31.12.2008 beendet worden sei, sondern fortbestehe.

Mit Schreiben vom 18.03.2009 meldete der Kläger unter Hinweis auf die Rücktrittserklärung und das beim Arbeitsgericht rechtshängige Verfahren „höchst vorsorglich und zur Wahrung der insoweit geltenden Frist” den Abfindungsanspruch zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte zu 1) erkannte später die Forderung zur Insolvenztabelle an.

Die Beklagte zu 2) übernahm als Betriebserwerberin nach § 613 a Abs. 1 BGB am 22.04.2009 den Betrieb der Schuldnerin und informierte mit Schreiben vom 23.04.2009 hierüber alle Mitarbeiter. Der Kläger, der dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nic...

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