Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung. Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Dynamische Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag. Planwidrige vertragliche Regelungslücke. Ausfüllung einer planwidrigen Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird eine Vertragsklausel vom Verwender für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert, begründen das äußere Erscheinungsbild und der Inhalt der Klausel eine tatsächliche Vermutung, dass es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt.

2. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind.

3. Die pauschale Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifliche Vergütungsbestimmungen ohne Nennung fester Beträge und ohne Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags ist dynamisch zu verstehen, es sei denn, eindeutige Hinweise sprechen für eine statische Bezugnahme.

4. Um eine vertragliche Regelungslücke handelt es sich, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder zwar nicht übersehen, aber doch bewusst deshalb offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und diese Annahme sich nachträglich als unzutreffend herausstellt. Diese Lücke ist planwidrig, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist.

5. Bei der Schließung einer Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung tritt an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Lückenhaftigkeit der Reglung bekannt gewesen wäre.

 

Normenkette

BGB § 305 Abs. 1, § 305c Abs. 2, § 307 Abs. 3; TVöD/VKA EG 7a

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 25.08.2016; Aktenzeichen 2 Ca 763/16)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 25.08.2016 - 2 Ca 763/16 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.752,24 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 zu zahlen.

  • II.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  • III.

    Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Kern über die Frage, ob sich der Entgeltanspruch der Klägerin aus einer arbeitsvertraglich vereinbarten dynamischen Verweisung auf das Vergütungssystem des TVöD-VKA ergibt.

Die Klägerin ist seit dem 15.09.1997 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Altenpflegehelferin zunächst in Vollzeit und ab dem 01.01.2010 mit 75% der vollen Arbeitszeit beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 01.09.1997 sieht unter anderem Folgendes vor:

§ 2 Vergütung

Die Mitarbeiterin erhält eine monatliche Vergütung der Gruppe Kr IV, Stufe 9

Mit dieser Vergütung sind alle weitergehenden Ansprüche aus der vereinbarten Tätigkeit abgegolten. Des Weiteren geltend die im September 1995 in Kraft getretenen Zusätze der Betriebsvereinbarung.

Die in Bezug genommene Betriebsvereinbarung vom September 1995 regelt - soweit hier von Interesse - auszugsweise Folgendes:

§ 2 Lohn- und Vergütungsrichtlinien

1. Für die Angestellten nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages - BAT - vom 11. Januar 1961.

2. Für die Arbeiter/-innen nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Arbeiterinnen des Bundes und der Länder vereinbarten Lohntarifvertrages des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter vom 31. Januar 1962.

3. Für die Auszubildenden nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Auszubildenden des Bundes und der Länder vereinbarten Vergütungsregelungen des Manteltarifvertrages für Auszubildende vom 6. Dezember 1974.

4. Änderungen beziehungsweise Ergänzungen der Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 3 treten zu dem Zeitpunkt in Kraft, in denen die Änderungen beziehungsweise Ergänzungen für Angestellte, Arbeiter/-innen und Auszubildende des Bundes und der Länder wirksam werden.

5. Absatz 4 gilt sinngemäß für die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Bestimmungen, die außer Kraft treten.

In § 3 der Betriebsvereinbarung finden sich "Sonderregelungen" zu Krankenbezügen, Zuwendungen bei Heirat, Geburten, Jubiläen sowie im Todesfall des Arbeitnehmers, zur Weihnachtszuwendung, Urlaubsgeld, Dienstbefreiung an Rosenmontag und Zeitzu...

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