Entscheidungsstichwort (Thema)

Beabsichtigte endgültige Stilllegung des Betriebs als betriebsbedingter Kündigungsgrund. Abgrenzung zwischen Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung. Betriebsübergang und identitätswahrende Fortführung der wirtschaftlichen Einheit. Keine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Einheit bei einzelnen Flugzeugen, Abflugstationen oder Wet Lease eines Luftverkehrsunternehmens im Sinne eines Teilbetriebsübergangs. Kein tariflicher Sonderkündigungsschutz beim Kündigungsrecht aus § 113 Satz 1 InsO. Inhalt und Umfang einer Unterrichtung der Personalvertretung Cockpit vor einer betriebsbedingten Kündigung. Konsultationsverfahren mit der Personalvertretung Cockpit vor dem Ausspruch von Massenentlassungen. Betriebssitz maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit der Agentur für Arbeit bei Massenentlassungsanzeigen. Prüfung des billigenswerten Interesses des Klägers bei einer Auskunftsklage

 

Leitsatz (amtlich)

Massensache mit weitestgehender Parallelität zu z. B. LAG Düsseldorf 6 Sa 440/18 u. a.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, Abs. 3; KschG § 17 Abs. 1; KSchG § 17 Abs. 2; BGB § 613a Abs. 1; InsO § 113 S. 1; RL 2001/23/EG Art. 1; TV PV Cockpit § 74 Abs. 1; BGB § 241 Abs. 2, § 242; RL 2001/23/EG Art. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.03.2018; Aktenzeichen 10 Ca 6812/17)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.03.2018 - 10 Ca 6812/17 - wird auf seine Kosten kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und die Erteilung von Auskünften.

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Air C. Q. & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden: Schuldnerin) mit Sitz in C..

Der am 06.06.1969 geborene, ledige und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger trat im Jahre 1996 in die Dienste der M.-Unternehmen Süd GmbH & Co. Zum 01.04.2011 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf die Schuldnerin über, mit der der Kläger unter dem 20.04.2011 und dem 19.07.2013 weitere Ausbildungs- und Arbeitsverträge als Flugkapitän sowie unter dem 14.03.2016 einen Zusatz zum Arbeitsvertrag über einen Freiwilligen Stationswechsel zur Station E. schloss. Wegen der Einzelheiten der Arbeitsbedingungen wird auf die mit der Klageschrift zu den Akten gereichten Kopien der genannten Verträge verwiesen. Zuletzt verdiente der Kläger durchschnittlich 13.903,42 € brutto monatlich.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag Nr. 4 für das Cockpitpersonal der M. M. Unternehmen GmbH Anwendung (im Folgenden MTV Nr. 4).

Bei der Schuldnerin handelt es sich um die bis Ende des Jahres 2017 zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft, die von ihren Drehkreuzen in E. und C.-U. hauptsächlich Ziele in ganz Europa, Nordafrika und Übersee anflog. Sie beschäftigte nach Angaben des Beklagten im August 2017 6.121 Beschäftigte, davon 1.318 Piloten, 3.362 Beschäftigte in der Kabine und 1.441 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Boden.

Keines der von der Schuldnerin genutzten Flugzeuge stand im Eigentum der Schuldnerin. Alle Flugzeuge waren von dieser geleast worden. Die Schuldnerin betrieb den Flugbetrieb zuletzt im Wesentlichen mit den Flugzeugmustern der A 320-Familie sowie des A 330. Die A 320-Familie wurde hauptsächlich für die Mittel- und Kurzstrecke eingesetzt, die A 330 hauptsächlich für die Langstrecke. Seit dem Jahr 2016 flog die Schuldnerin nicht mehr ausschließlich im eigenwirtschaftlichen Flugbetrieb, sondern auch im sog. "wet lease" für die F. x. GmbH und die Deutsche M. AG. Bei einem wet lease werden Flugzeuge einschließlich Cockpit-Crew, Kabinenpersonal, Wartung und Versicherung bereitgestellt. So flogen bis zu 38 Flugzeuge der Schuldnerin im wet lease, insbesondere im Auftrag der F. x. GmbH. Der Vertrag war für sechs Jahre abgeschlossen. Die dort eingesetzten Mitarbeiter erhielten F. x.-Uniformen. Auch der Kläger flog vereinzelt im wet lease.

Bei der Schuldnerin ist für die Piloten gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG auf Basis des "Tarifvertrags Personalvertretung für das Cockpitpersonal der Air C. Q. & Co. Luftverkehrs KG" (im Folgenden TVPV) eine Personalvertretung (im Folgenden PV Cockpit) gebildet. Für das Kabinenpersonal bestand die PV Kabine. Am 14.02.2017 schloss die Schuldnerin mit der PV Cockpit einen Rahmen-Interessenausgleich zur Umstrukturierung der Air C. für das Cockpitpersonal. Darin hieß es, die Organisationsstruktur des Flugbetriebes müsse geändert werden. Es solle die Ausgliederung des Touristikgeschäfts, die Bereederung von Flugzeugen im Rahmen der mit der Deutschen M. Group (Deutsche M. AG, F. x. GmbH und B. Airlines AG) getroffenen wet-lease-Vereinbarung (ACMIO-Operation) und eine Neuausrichtung der verbleibenden Kapazitäten im Rahmen des Programms "New Air C." erfolgen. In der Anlage 1 zum Rahmen-Interessenausgleich hieß es auszugsweise weiter:

"§ 1

Die Zuordnung zur ACMIO-Operation ergibt sich bei auss...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge