Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Gesamtzusage. Leistungsverschlechterung. Wartezeit. Unverfallbarkeit. Betriebliche Altersversorgung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Gesamtzusage liegt vor, wenn ein Arbeitgeber einseitig bekannt gibt, dass er jedem Arbeitnehmer, der die von ihm abstrakt festgelegten Voraussetzungen erfüllt, eine bestimmte Leistung gewährt. Es handelt sich dabei um eine nicht notwendig an einzelne Arbeitnehmer, sondern an die Belegschaft als Ganzes gerichtete Willenserklärung des Arbeitgebers, die durch die Arbeitnehmer gem. § 151 BGB durch die bloße Entgegennahme der Leistung und ohne ausdrückliche Erklärung angenommen wird. Der Arbeitnehmer erwirbt einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistung, wenn er die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ohne dass es einer besonderen Erklärung der Annahme des in der Zusage enthaltenen Angebots bedarf.
2. Die Verschlechterung der Leistung oder die Aufhebung der Leistungsverpflichtung aus einer Gesamtzusage kann, abgesehen von kollektivrechtlichen Lösungsmöglichkeiten, nur nach vertraglichen Grundsätzen erfolgen, also vorrangig durch übereinstimmende Willenserklärungen der Arbeitsvertragsparteien, die auch durch Ausspruch einer Änderungskündigung herbeigeführt worden sein können. Eine einseitige Änderungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber besteht regelmäßig nur dann, wenn und soweit er sich einen Widerruf seiner Gesamtzusage vorbehalten hat.
3. Eine Wartezeit ist die vom Arbeitgeber in seiner Versorgungszusage als Voraussetzung für einen Vollanspruch auf betriebliche Altersversorgung festgelegte Mindestbeschäftigungszeit.
4. Die Unverfallbarkeitsfrist ist eine privatautonome Gestaltung zu Lasten des Arbeitnehmers entzogene (§ 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG) gesetzliche Festlegung der Mindestbeschäftigungszeit, die bis zu einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zurückgelegt sein muss, damit ein im Zweifel nach § 2 BetrAVG zu berechnender Teilrentenanspruch erworben wird.
Normenkette
BGB §§ 611, 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Essen (Urteil vom 04.02.2010; Aktenzeichen 1 Ca 2378/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 04.02.2010, Az. : 1 Ca 2378/09, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht die Zahlung einer Ruhegeldzuwendung geltend.
Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen vom 01.06.1970 bis zum 31.03.2005 tätig. Das Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 2. 598 EUR. Seit dem 01.12.2007 bezieht die Klägerin Rente. Die Beklagte zahlt der Klägerin eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 41,32 EUR.
Die Klägerin nahm ihre Tätigkeit am 01.06.1970 bei der Thyssen Stahlunion-Export GmbH als fremdsprachige Stenokorrespondentin auf. Zum 01.10.1972 wechselte das Arbeitsverhältnis dann auf die Thyssen Stahlunion-Technik GmbH. Mit Wirkung zum 01.10.1974 wurde es auf die Thyssen Rheinstahl Technik GmbH (TRT) übergeleitet.
Im Jahr 1977 übernahm die TRT Mitarbeiter anderer Gesellschaften. Zur Harmonisierung der Arbeitsbedingungen wurde eine paritätisch besetzte Kommission eingesetzt, die in einem Schlussprotokoll vom 24.05.1977 (Bl 7 ff. d. A.) zu folgendem Ergebnis gekommen war:
„… 8. Ruhestandszuwendungen bei Pensionseintritt
Ausgangslage
Bei TSU-T wurden folgende Ruhestandszuwendungen anstelle der Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung im 1., 2. und 3. Monat gezahlt:
nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit 1 Monatsverdienst
nach 20-jähriger Betriebszugehörigkeit 2 Monatsverdienste
nach 30-jähriger Betriebszugehörigkeit 3 Monatsverdienste
Bei Rex und RAnt nichts.
Harmonisierung
Aus Gründen der Vereinheitlichung der Regelungen im THU-Kreis wird für die TRT die vorgenannte TSU-T-Regelung übernommen.
….
10. Pensionsregelung …”
Die Betriebsparteien bei TRT schlossen unter dem 01.07.1977 eine Betriebsvereinbarung (Bl.18 d. A.), wonach das Verhandlungsergebnis der Harmonisierungskommission als Betriebsvereinbarung gilt.
Das Arbeitsverhältnis ging dann mit Wirkung zum 01.04.1978 auf die Thyssen Handelsunion AG über. Unter dem 26.06.1985 erließ die Thyssen Handelsunion AG mit Wirkung zum 01.07.1985 eine Richtlinie (Bl. 27 ff. d. A.) mit folgendem Inhalt:
„Mit Wirkung zum 01. Juli 1985 wird die bisherige Regelung des sogenannten Treuegeldes bei Eintritt in den Ruhestand für Mitarbeiter der Thyssen Handelsunion AG mit Anspruch auf Leistungen nach der Werkspensionsordnung wie folgt geändert:
1. Höhe der Ruhestandszuwendung
Die Ruhestandszuwendung beträgt
nach 15 vollendeten Dienstjahren das 1,5 fache eines Monatsbezugs
nach 16 vollendeten Dienstjahren das 1,6 fache eines Monatsbezugs
etc.
nach 30 vollendeten Dienstjahren das 3,0 fache eines Monatsbezugs (max.)
Als Dienstjahre gelten anrechnungsfähige Dienstzeiten im Sinne des § 4 Ziffer 1 – 3 der Pensionsordnung vom 13.05.1985 mit der Maßgabe, dass nur vollständig zurückgelegte Dienstjahre zur Anrechnung gelangen. …
2. An...