Entscheidungsstichwort (Thema)
materielle Rechtskraft. Ersatz materieller und immaterieller Schäden
Leitsatz (amtlich)
1. Die materielle Rechtskraft eines Urteils, durch das ein Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes abgewiesen wurde, steht der Zulässigkeit einer Feststellungsklage, mit der der Ersatz zukünftiger immaterieller Schäden, die aus dem selben Schadensereignis herrühren, verlangt wird, nicht entgegen.
2. Ist dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest bekannt, aus dem hervorgeht, dass die Arbeitsfähigkeit nur bei „definiertem Arbeitsanfall” aufrechterhalten werden kann, kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden verlangen, wenn er infolge Übertragung zusätzlicher Arbeitsaufgaben (erneut) arbeitsunfähig erkrankt.
Normenkette
ZPO § 322 Abs. 1; SGB IX § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1; BGB 280 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Urteil vom 15.08.2007; Aktenzeichen 3 Ca 360/07) |
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 15.08.2007 – 3 Ca 360/07 – wird teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen hat, die darauf beruhen, dass die Beklagte ihm im Jahr 2006 die Aufgabe übertragen hat, wiederkehrende Prüfungen im Bereich von Sonderbauten durchzuführen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu ¾ und die Beklagte zu ¼.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Klägers.
Der Kläger ist Architekt. Er wurde seit Januar 1995 als technischer Sachverständiger im Bauordnungsamt der Beklagten beschäftigt.
Der Kläger befindet sich seit 1997 in psychologischer Behandlung. Er wurde mehrfach auch stationär behandelt. Gemäß Bescheid vom November 2004 ist er wegen einer psychischen Erkrankung schwerbehindert. Der Kläger führt seine psychische Erkrankung auf wiederholte „Mobbing-Handlungen” seiner Vorgesetzten zurück.
Im Jahr 1996 stritten der Kläger und sein Vorgesetzter, Herr S., darüber, ob Beschwerden über die Arbeitsweise des Klägers berechtigt seien. Nachdem der Kläger einen ihm von seinem ehemaligen Vorgesetzten versprochenen Stellplatz für seinen Pkw nicht erhalten hatte, setzte er ab 1998 seinen Pkw nicht mehr bei der Wahrnehmung von Außendienstterminen ein. Der Amtsleiter, der deshalb dem Personalamt mitgeteilt hatte, der Kläger sei aus seiner Sicht im Bauordnungsamt nicht länger tragbar, wurde daraufhin belehrt, dass der Kläger nicht verpflichtet sei, sein eigenes Kfz einzusetzen. Ab 1999 war der Kläger für einen Bezirk zuständig, in dem erheblich mehr Fallzahlen als in den übrigen Bezirken anfielen, bis er schließlich sein Sachgebiet vollständig mit dem einer Kollegin tauschen konnte. Mit Schreiben vom 09.05.2001 beschwerte sich der Kläger u. a. beim Personalrat darüber, dass Herr S. sich während eines Beratungsgesprächs mit einer alten Dame mit der Kollegin, mit der er das Dienstzimmer teile, unterhalten habe.
Der Kläger beantragte schließlich mehrfach ein Einzelbüro, zuletzt am 20.02.2004. Nach Schaffung eines Service-Center-Bauen wurde ihm ein Arbeitsplatz in diesem Bereich in einem Großraumbüro zugewiesen. Mit einem am 15.10.2004 bei dem Arbeitsgericht Oberhausen eingegangenen Schriftsatz erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, ihm ein geeignetes Einzelbüro zur Verfügung zu stellen. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 07.03.2005 legte der Kläger u. a. ein ärztliches Attest des Internisten Dr. H.-I. vom 27.09.2004 vor. Darin werden als Dauerdiagnosen angegeben:
- „Angst und depressive Störungen mit akuter schubweise verlaufender und fortschreitender Chronifizierung,
- Neurasthenie,
- generalisierte-besonders kardiale und gastrale Somatisierungsstörung.”
Weiter führt der Arzt in der Bescheinigung aus:
„Aufgrund einer mehrjährigen hausärztlichen Betreuung sehe ich mittlerweile einen schweren progredient-chronifizierenden Krankheitsprozess, der erfahrungsgemäß langfristig durchaus zu chron. organischen Erkrankung (z. B. Magen-Herz) führen kann. Diese Einschätzung wurde auch fachärztlich psychiatrisch während einer stationären Reha.Behandlung in einer psychiatrisch/psychosomatischen Klinik vom 28.07. – 08.09.2004 festgestellt.…”
Nach anfänglicher Weigerung ließ sich der Kläger nun auch amtsärztlich untersuchen. Mit Schreiben vom 24.03.2005 wurde der Beklagten folgende „Zusammenfassung und Beurteilung” der Untersuchung mitgeteilt:
„Aus medizinisch psychiatrischer Sicht liegt bei Herrn Q. eine schizoid narzisstische Persönlichkeitsstörung mit aktuellen Anpassungsstörungen mit Angst und Depressionen sowie Somatisierungsstörung vor. Unter dieser Situation kam es in der Vergangenheit des Herrn Q. zu mehrfachen akuten Symptomentwicklungen im Sinne der Somatisierungsstörung bzw. der Entwicklung einer Depression. Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich die Situation für Herrn Q. so dar, dass unter idealtypisch...