Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch einer arbeitgebenden Fluggesellschaft auf Rückzahlung eines Darlehens aus einem Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Type Rating-Lehrgangs für ein bei ihr verwendetes Flugzeugmuster. Angemessenheitskontrolle einer unbedingten Rückzahlungspflicht aus dem Darlehensvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schließt eine Fluggesellschaft mit einem ausgebildeten Piloten einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Type Rating-Lehrgangs für ein bei ihr verwendetes Flugzeugmuster, eine diesbezügliche Ausbildungsvereinbarung und einen Arbeitsvertrag, kann ein einheitliches Rechtsgeschäft (einheitlicher Vertrag) vorliegen.

2. Die von der Rechtsprechung für bedingte Rückzahlungsklauseln entwickelten Grundsätze finden auf einen Darlehensvertrag keine Anwendung, der dem Piloten nicht die Möglichkeit einräumt, die Rückzahlung der Darlehenssumme durch Betriebstreue zu vermeiden. Bei unbedingter Rückzahlungspflicht wird das Grundrecht des Arbeitnehmers auf freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht eingeschränkt. Es fehlt an einem "Bleibedruck".

3. Eine unbedingte Rückzahlungspflicht aus dem Darlehensvertrag ist jedoch einer Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen. Die dabei erforderliche Interessenabwägung hat sich insbesondere daran zu orientieren, ob und inwieweit der Pilot mit dem Lehrgang einen geldwerten Vorteil erlangt. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen und zu bewerten, ob und inwieweit der Lehrgang der Erlangung eines auch außerhalb des Beschäftigungsbetriebs verwertbaren beruflichen Vorteils dient und in welchem Umfang er ggfs. andere, insbesondere arbeitgeberspezifische Inhalte enthält.

4. Eine Unangemessenheit kann sich danach insbesondere daraus ergeben, dass anlässlich des Lehrgangs in nicht unerheblichem Umfang auch die "Standard Operating Procedures" der Fluggesellschaft vermittelt werden und OCC-Schulungen erfolgen, diese sich aber nicht an den Lehrgangskosten beteiligt. 1. bis 3.: Anschluss an BAG 25.01.2022 - 9 AZR 144/21 - NZA 2022, 978

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1, § 611a

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 07.10.2021; Aktenzeichen 9 Ca 2977/21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.10.2021 - 9 Ca 2977/21- wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung eines Darlehens.

Der Beklagte besitzt die allgemeine Erlaubnis als Verkehrsflugzeugführer. Zum Einsatz auf einem konkreten Flugzeugtyp bedarf es nach den luftfahrtrechtlichen Vorschriften zudem einer entsprechenden Musterberechtigung (Type Rating), welche nicht für eine bestimmte Fluggesellschaft ausgestellt wird. Der Beklagte bewarb sich bei der J. im Rahmen eines dreitägigen Assessmentcenters erfolgreich als Co-Pilot für das Flugzeugmuster Airbus A320 Family. Im Anschluss übersandte diese dem Beklagten eine "Ausbildungsvereinbarung" und einen "Darlehensvertrag" zum Erwerb und zur Finanzierung des Type Ratings als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 FAM.

In der unter dem 02.07.2018 abgeschlossenen "Ausbildungsvereinbarung" (Anlage K4 zur Klageschrift, Bl. 51 d. A.) heißt es:

"§ 1 Gegenstand/Zeitrahmen

(1) Der Co-Pilot wird auf eigene Kosten an dem Lehrgang zum Erwerb der Musterberechtigung (Type Rating) als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A3230 FAM teilnehmen und zwar in der Flugschule T. GmbH als Ausbildungsbetrieb. J. gewährt dem Co-Piloten zur Finanzierung der Lehrgangskosten ein Darlehen und zwar auf der Grundlage eines gesondert abzuschließenden Darlehensvertrages.

(2) Der Lehrgang wird voraussichtlich in dem Zeitraum vom 23.07.2018 bis zum 31.10.2018 stattfinden.

§ 2 Vergütung

Mit Beginn des Lehrgangs zum Erwerb der Musterberechtigung erhält der Co-Pilot eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 1.550,00 € monatlich.

...

§ 4 Arbeitsvertrag

Nach erfolgreich abgeschlossenen Type Rating erhält der / die Auszubildende ein Arbeitsvertragsangebot als Co-Pilot.

...

Anlage:

Darlehensvertrag zur Finanzierung der Type-Rating-Kosten"

Die Auswahl der Flugschule (T. GmbH) erfolgte durch die J.. Der zeitgleich mit der "Ausbildungsvereinbarung" vereinbarte "Darlehensvertrag" (Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 50 f. d. A.) enthält u. a. folgende Regelungen:

"Im Hinblick auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit der Gesellschaft vereinbaren die Parteien folgendes Darlehen und zwar zur Finanzierung des/der Type Rating Lehrganges/Prüfung als Copilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family:

§ 1 Darlehen

Die Gesellschaft gewährt dem Darlehensnehmer ein Darlehen in Höhe von 20.950 EUR ...

...

§ 3 Zins/Lohnsteuer

(1) Das Darlehen ist nicht zu verzinsen.

(2) Die aufgrund der zinslosen Darlehensgewährung etwaig entstehende Lohnsteuer trägt die Gesellschaft.

§ 4 Tilgung

(1) Das Darlehen ist in monatlichen Raten in Höhe von 225 EUR ... mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses zu tilgen ...

...

§ 6 Vorzeitige Beendigung des Darlehens/Fälligkeit

(1) Der ausstehende Darlehe...

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