Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf Widerspruchsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB fehlerhaft, so rückt der Erwerber bis zum Widerspruch bzw. bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist auch nicht vorübergehend in die Stellung des Arbeitgebers ein. Es erfolgt ein aufschiebend bedingter Übergang des Arbeitsverhältnisses, so dass dieses zunächst (bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist bzw. einer abschließenden Erklärung des Arbeitnehmers) mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbesteht. Mit Ablauf der Widerspruchsfrist bzw. der abschließenden Entscheidung des Arbeitnehmers tritt der Erwerber rückwirkend zum Datum des Betriebsübergangs in den Arbeitsvertrag ein (vgl. Staudinger/Annuß § 613 a BGB Rdnr. 186).
2. Schließt der Arbeitnehmer in Kenntnis seines (noch) bestehenden Widerspruchsrechts einen Aufhebungsvertrag mit dem Betriebserwerber, so kann darin unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine abschließende Erklärung des Arbeitnehmers gesehen werden, mit der er analog § 144 BGB den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber bestätigt. In einem solchen Fall ist die spätere Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen.
3. Diesem Ergebnis steht die Rückwirkung des Widerspruchs nicht entgegen. Durch den den Übergang des Arbeitsverhältnisses bestätigenden Vertrag ist die Erwerberin rückwirkend in das zunächst aufschiebend bedingt übergegangene Arbeitsverhältnis eingetreten. Diese Rechtsfolge kann der Arbeitnehmer durch einen zeitlich erst nach Abschluss des Vertrages ausgeübten Widerspruch nicht mehr rückgängig machen.
4. In der Bestätigung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses kann gleichzeitig ein Verzicht auf Schadensersatzansprüche zu sehen sein.
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 144 Abs. 1 BGB ist die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. Der Sache nach handelt es sich bei dieser Regelung um einen Verzicht des Anfechtungsberechtigten. Dieser sich aus § 144 BGB ergebende Rechtsgedanke ist nach Auffassung der Berufungskammer auf die Frage, ob ein Widerspruchsrecht noch ausgeübt werden kann, übertragbar und bedeutet, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen ist, wenn der „widerspruchsbehaftete” Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber von dem Widerspruchsberechtigten bestätigt wird.
Normenkette
BGB §§ 613a, 144
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Urteil vom 15.11.2006; Aktenzeichen 3 Ca 2494/05 lev) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 15.11.2006 – 3 Ca 2494/05 lev – wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner am 02.12.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrte der Kläger zunächst im Wege der Stufenklage Auskunft, Abrechnung und Auszahlung des Zielbonus für das Jahr 2004. Mit Schriftsatz vom 07.06.2006 erweiterte er die Klage u.a. mit dem Antrag, festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.
Der am 30.04.1950 geborene Kläger war seit dem 01.07.1980 bei der Beklagten beschäftigt, und zwar zuletzt als Projektleiter. Im Jahr 2004 erhielt der Kläger ein Fixgehalt in Höhe von 73.751,00 EUR brutto sowie eine Sondervergütung in Höhe von 13.016,00 EUR.
Der Kläger war schwerpunktmäßig im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.
Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab.
Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu gegründete B. Photo GmbH übertragen.
Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befande...