Entscheidungsstichwort (Thema)

Bruttostundenlohnhöhe. Sicherungsposten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Protokollerklärungen sind materielle Bestandteile der Tarifverträge und haben gleichfalls Tarifwirkung.

2. Die Protokollnotiz Sipo zum LTV 2007 i.V.m. der Protokollnotiz Sicherungsposten zum Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 11.05.2009 enthalten keinen verbindlichen Stundengrundlohn in Höhe von 11,32 Euro, zu dessen Zahlung die tarifgebundenen Arbeitgeber (vgl. § 3 Abs.1 TVG) gem. § 4 Abs. 1 S. 1 TVG verpflichtet wären.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 09.02.2010; Aktenzeichen 2 Ca 4257/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.09.2012; Aktenzeichen 4 AZR 689/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 09.02.2010 – 2 Ca 4257/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden Bruttostundenlohns sowie über hieraus gegebenenfalls resultierende Vergütungsdifferenzen.

Die Klägerin ist seit dem 01.04.2009 aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 12.03.2009 bei der Beklagten als Sicherungsposten beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag heißt es u.a.:

„…

3. Entgelt

Das Entgelt richtet sich nach dem zur Zeit gültigen bundeseinheitlichen Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe. Bei übertariflichen Verdienstbestandteilen handelt es sich um freiwillige, jederzeit nach freiem Ermessen widerruflichen Leistungen auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht. Diese Leistungen können ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen angerechnet werden. Lohn-, Kirchensteuer und Sozialversicherungsbeiträge werden nach den gesetzlichen Bestimmungen vom Bruttolohn einbehalten. Die Lohnperiode ist der Kalendermonat. Die Zahlung der Nettobezüge erfolgt durch Banküberweisung bis zum 15. des Folgemonats.

…”

Ebenfalls am 12.03.2009 trafen die Parteien eine „Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag”. Hierin heißt es u. a.:

„I.

Es gilt der bundseinheitliche Tarifvertrag für Sicherungsposten (SiPo), wenn dieser allgemeinverbindlich erklärt ist.

Liegt eine Allgemeinverbindlichkeit auf Bundesebene nicht vor, so gelten die jeweils länderspezifischen Lohnregelungen für Sicherungsposten und verwandte Tätigkeiten in den Ländertarifverträgen, in welchen die Arbeiten ausgeführt werden, wenn diese allgemein-verbindlich erklärt sind.

II.

Liegt eine Allgemeinverbindlichkeit für Sicherungsposten und verwandte Tätigkeiten weder auf Bundes- noch auf Länderebene vor, so gilt abweichend vom jeweils eingreifenden Tarifvertrag, welcher im Übrigen gilt, folgendes:

1. Es ist ein Stundengrundlohn von 9,– EUR brutto vereinbart.

III.

Diese Vereinbarung gilt rückwirkend ab dem 01.03.2009 und ist bis zum 30.06.2009 befristet. Mit Auslaufen der Befristung gelten die zu diesem Zeitpunkt bestehenden tariflichen Vereinbarungen, wenn nicht zuvor eine Verlängerung dieser Vereinbarung schriftlich erfolgt.

IV.

Sollten einzelne dieser Vereinbarungen unwirksam oder nichtig sein, so entfällt die Vereinbarung insgesamt und es gilt der jeweilig einschlägige Ländertarifvertrag als vereinbart.

V.

Sollte während der Laufzeit dieser Vereinbarung eine Allgemeinverbindlichkeit für Sicherungsposten und verwandte Tätigkeiten erklärt werden, so wird die Arbeitgeberin hierüber unverzüglich nach Kenntniserlangung informiert.”

Am 11.09.2009 schlossen die Beklagte und ihr Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung zum Arbeitsvertrag”, in der es u. a. heißt:

„…

II.

Liegt eine Allgemeinverbindlichkeit für Sicherungsposten und verwandte Tätigkeiten weder auf Bundes- noch auf Länderebene vor, so gilt abweichend vom jeweils eingreifenden Tarifvertrag, welcher im Übrigen gilt, folgendes:

1. Es ist ein Stundengrundlohn von 9,00 EUR brutto vereinbart.

III.

Diese Vereinbarung gilt ab dem 11.09.2009 auf unbestimmte Zeit.”

Unter dem 13.10.2009 verlangte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver. di), deren Mitglied die Klägerin ist, unter Fristsetzung bis zum 30.10.2009 von der Beklagten die Zahlung einer Vergütungsdifferenz für die Monate Juni bis August 2009 in Höhe von insgesamt 1. 457,06 EUR brutto auf der Basis einer Stundenvergütung in Höhe von 11,32 EUR brutto, wie sie tariflich zuletzt in Ziffer 2.0. 9 des Lohntarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen (künftig: LTV Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW) vom 11.05.2006 vorgesehen war. Der LTV Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW vom 11.05.2009, gültig mit Wirkung vom 01.05.2009, enthält folgende Protokollnotiz Sicherungsposten:

„Die Tarifvertragsparteien vereinbaren, dass für die Tätigkeit von Sicherungsposten im Bereich spurgebundener Fahrbetriebe/Transportsysteme eine Lohngruppe im Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 11.05.2009 aufgenommen werden soll, sobald sich die Tarifvertragsparteien auf eine Lohnhöhe geeinigt haben. Diese Lohngru...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge