Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtwidrige Versagung der mit Klageeinreichung beantragten Prozesskostenhilfe wegen Rechtswegunzuständigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist über den Rechtsweg zu entscheiden, weil das Gericht dies für geboten hält (§ 17a Abs. 2 Satz 1 oder § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG) oder eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt (§ 17a Abs. 3 Satz 2 GVG), darf über einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, der zusammen mit der Klage eingereicht wird, erst dann entschieden werden, wenn das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges rechtskräftig feststeht.

2. Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe darf nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete, weil der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet sei (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. März 2011 - 12 Ta 574/11 -, Rn. 9, juris).

 

Normenkette

GVG § 17a Abs. 3 S. 2; ZPO § 114 Abs. 1; GVG § 17a; ArbGG § 48; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1; GVG § 17a Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 06.10.2015; Aktenzeichen 27 Ca 255/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 06. Oktober 2015 - 27 Ca 255/15 - aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die sofortige Beschwerde wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in einem arbeitsgerichtlichen Bestandsschutzrechtsstreit.

Im Ausgangsverfahren vor dem Arbeitsgericht Hamburg streiten die Parteien über die Beendigung ihres Rechtsverhältnisses durch eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten und über Weiterbeschäftigung.

Mit Bestellungsurkunde vom 06. November 2014 (Anlage K 3 - Bl. 28 d.A.) wurde der Kläger im Unternehmen der Beklagten, die Dönerspieße herstellt und vertreibt, zur Fachkraft für Arbeitssicherheit nach § 5 ASiG bestellt. Über die Tätigkeit des Klägers schlossen die Parteien einen "Vertrag sicherheitstechnische Regelbetreuung", von dem eine Fassung vom 06. November 2014 mit einem vereinbarten Jahreshonorar von 3.000,00 € netto zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer besteht (Anlage B 1 - Bl. 113 d.A.) und eine weitere Fassung vom 28. November 2014 mit einer - vom Kläger als jährlich verstandenen - Einsatzzeit von 133,125 Stunden und einem Stundensatz von 85,00 € netto je Einsatzstunde (Anlage K 4 - Bl. 30 d.A.).

Mit Schreiben vom 08. Mai 2015 (Anlage K 9 - Bl. 78 d.A.) kündigte die Beklagte den "Vertrag sicherheitstechnische Regelbetreuung vom 06. November 2014" außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächst möglichen Zeitpunkt.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2015 (Anlage K 12 - Bl. 91 d.A.) informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass er seit dem 15. Oktober 2012 zur Gruppe der gleichgestellten behinderten Menschen gehört (Gleichstellungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 30. Oktober 2012, Anlage K 12 - Bl. 91 [92] d.A.).

Mit Schreiben vom 20. Mai 2015 (Anlage K 14 - Bl. 97 d.A.) kündigte die Beklagte vorsorglich erneut sämtliche mit dem Kläger bestehende Vertragsverhältnisse außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum nächst möglichen Zeitpunkt.

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigungen der Beklagten seien unwirksam, da ein rechtfertigender Grund im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG und andere gesetzliche Grundlagen nach § 627 BGB nicht gegeben seien. Er stehe in einem dauernden Arbeits- und Dienstverhältnis mit festen Bezügen. Außerdem seien § 612a BGB und § 85 Abs. 2 SGB IX von der Beklagten nicht beachtet worden.

Mit seiner am 27. Mai 2015 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen und unbedingt erhobenen Klage hat der Kläger angekündigt zu beantragen

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08. Mai 2015 und dem anwaltlichen Schreiben vom 20. Mai 2015 aufgelöst worden ist, sondern weiter fortbesteht,

2. für den Fall des Obsiegens, den Kläger als Sicherheitsingenieur (Fachkraft für Arbeitssicherheit) zu den Arbeitsbedingungen gemäß Verpflichtungsvertrag nach dem Gesetz über "Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit" (Arbeitssicherheitsgesetz - ASiG -) vom 28. November 2014 und Bestellung vom 06. November 2014 weiter zu beschäftigen.

Zugleich hat der Kläger beantragt, die Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwalts zu bewilligen, und mit weiterem Schriftsatz vom 12. Juli 2015 (Bl. 120 d.A.) unter Vorlage einer ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Bl. 1 PKH-Heft), ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwalts zu gewähren.

Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2015 (Bl. 111 d.A.) hat die Beklagte die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts gerügt. Hierüber hat das Arbeitsgericht bisher nicht entschieden.

Das Arbeitsgericht Ham...

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