Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrat der Vertragsarbeitgeberin bei der Festlegung von Ausgleichszeitraum und Schwankungsbreite der Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
Für die Festlegung von Ausgleichszeiträumen und zulässigen Schwankungsbreiten besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Es handelt sich jedenfalls in erster Linie um eine Frage der Entgeltstruktur.
Zuständig ist folglich der Betriebsrat des Vertragsarbeitgebers.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 2, 10, Abs. 1 S. 1; TV-KAH § 6 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 22.01.2014; Aktenzeichen 16 BV 24/13) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22.01.2014 (16 BV 24/13) wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten anlässlich eines Einigungsstellenspruchs über die Frage, welcher Betriebsrat für die Festlegung des Ausgleichszeitraums und der zulässigen Schwankungsbreite nach § 6 II TV-KAH zuständig ist.
Die Beteiligte zu 2. (i.F.: Arbeitgeberin) ist ein eingetragener Verein, dessen Arbeitnehmer und Mitglieder unter anderem bei dem A. W.-Klinikum Hamburg GmbH in R. (i.F.: W.-Klinikum) auf der Grundlage des Gestellungsvertrages vom 13.11.2001 im Pflege- und Funktionsdienst tätig sind. Der Beteiligte zu 1. (i.F.: Betriebsrat) ist der bei der Arbeitgeberin von den für sie im W.-Klinikum tätigen Arbeitnehmern gebildete Betriebsrat. Die Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis mit dem W.-Klinikum stehen, haben einen eigenen Betriebsrat gebildet.
Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitgeberin findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den Krankenhaus-Arbeitgeberverband Hamburg e.V. (TV-KAH) vom 14.06.2007 in der Fassung des 3. Änderungstarifvertrags vom 07.05.2012 Anwendung. Dieser lautet - auszugsweise - wie folgt:
"§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich. ...
(2) Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. Abweichend von Satz 1 kann bei Beschäftigten, die ständig Wechselschicht oder Schichtarbeit zu leisten haben, ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.
...
(6) Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann ein wöchentlicher Arbeitszeitkorridor von bis zu 45 Stunden eingerichtet werden. Die innerhalb eines Arbeitszeitkorridors geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden werden im Rahmen des nach Abs. 2 Satz 1 festgelegten Zeitraums ausgeglichen. ...
§ 7 Sonderformen der Arbeit
...
(7) Überstunden sind die auf Anordnung des Arbeitgebers geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten (§ 6 I 1) für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden.
(8) Abweichend von Absatz 7 sind nur die Arbeitsstunden Überstunden, die
a) im Falle der Festlegung eines Arbeitszeitkorridors nach § 6 VI über 45 Stunden oder über die vereinbarte Obergrenze hinaus
...
angeordnet worden sind. ..."
Der Betriebsrat verlangte von der Arbeitgeberin den Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit dem Regelungsgegenstand "Ausgleichszeiträume nach § 6 II TV-KAH sowie zulässige Plus- und Minusstunden". Nachdem unmittelbare Verhandlungen zwischen den Beteiligten ohne Erfolg geblieben waren, einigten sie sich auf die Einrichtung einer Einigungsstelle. Dabei stimmte die Arbeitgeberin der Einrichtung der Einigungsstelle "ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage" zu und behielt sich vor, die Zuständigkeit im Einigungsstellenverfahren zu rügen.
Die Einigungsstelle trat am 29.08.2013 zusammen. In der Sitzungsniederschrift vom selben Tage heißt es auszugsweise:
"Der Arbeitgeber beantragt:
1. 'Die Einigungsstelle erklärt sich für nicht zuständig.'
In einer ersten Abstimmungsrunde (ohne Beteiligung der Vorsitzenden) ergeben sich zwei Stimmen für den Antrag, zwei Stimmen gegen den Antrag.
Da die Frage der Zuständigkeit der Einigungsstelle bereits eingehend erörtert wurde, schließt sich die zweite Abstimmungsrunde an. Es ergeben sich mit der Stimme der Vorsitzenden drei Stimmen für den Antrag des Arbeitgebers, zwei Stimmen dagegen.
Damit ist folgender Spruch ergangen:
'Die Einigungsstelle erklärt sich für unzuständig.'"
Hinsichtlich der Einzelheiten der Sitzungsniederschrift der Einigungsstelle vom 29.08.2013 wird auf Anlage ASt 7 (Bl. 30 ff. d.A.) verwiesen.
Die Vorsitzende der Einigungsstelle begründete den Spruch im Wesentlichen damit, dass der Betriebsrat des W.-Klinikums als "Entleiherbetriebsrat" für die Frage der Ausgleichszeiträume und der Festlegung der zulässigen Schwankungsbreite zuständig sei, da das W.-Klinikum diesbezüglich die wesentlichen Entscheidungen treffe. Hinsichtlich der Begründung des Einigungsstellenspruchs im E...