Entscheidungsstichwort (Thema)
Konzernschwerbehindertenvertretung. Errichtung einer Konzernvertretung für schwerbehinderte Menschen. unbegründeter Freistellungsantrag einer Vertrauensperson in Betrieb eines Konzernunternehmens
Leitsatz (amtlich)
Eine Konzernschwerbehindertenvertretung ist nicht schon dann gemäß § 97 Abs. 2 SGB IX zu errichten, wenn nur in einem Betrieb von mehreren Betrieben eines Konzernunternehmens eine Schwerbehindertenvertretung gewählt ist.
Normenkette
SGB IX § 97 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 19.06.2012; Aktenzeichen 21 BV 3/12) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Juni 2012 - 21 BV 3/12 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Beteiligten zu 1.
Die Beteiligte zu 2 ist ein Unternehmen der Wohnungswirtschaft. In dem Unternehmen bestehen mehrere Betriebe. In dem Betrieb der Beteiligten zu 2 in Hamburg sind rund 860 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beteiligte zu 2 gehört zu einem Konzern. In dem Konzern ist ein Konzernbetriebsrat gebildet worden. Ein Gesamtbetriebsrat existiert nicht. Ebenso wenig existiert eine Gesamtschwerbehindertenvertretung.
Im Betrieb Hamburg der Beteiligten zu 2 wurde eine Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gewählt. Das ist der Beteiligte zu 1.
Der Beteiligte zu 1 hat die Auffassung vertreten, zugleich die Konzernschwerbehindertenvertretung zu sein. § 97 Abs. 2 SGB IX sei so zu verstehen, dass eine Konzernschwerbehindertenvertretung zwingend zu errichten sei, wenn für mehrere Unternehmen ein Konzernbetriebsrat bestehe. Es komme nicht darauf an, ob darüber hinaus eine Gesamtschwerbehindertenvertretung oder nur eine örtliche Schwerbehindertenvertretung gewählt ist.
Der Beteiligte zu 1 hat beantragt,
der Beteiligten zu 2 aufzugeben, den Beteiligten zu 1 von seiner beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien für die Tätigkeit als Konzernschwerbehindertenvertreter im Konzern der Beteiligten zu 2 sowie in den einzelnen Betrieben der Beteiligten zu 2, in denen eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt ist.
Die Beteiligte zu 2 hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2 hat gemeint, § 97 Abs. 2 SGB IX regele, im Gegensatz zu Absatz 1, nichts für den Fall, dass nur in einem Betrieb eines Konzernunternehmens eine Schwerbehindertenvertretung besteht. Das Gesetz ordne insbesondere nicht an, dass die bestehende Schwerbehindertenvertretung in diesem Falle auch die Aufgaben der Konzernschwerbehindertenvertretung wahrnimmt. Eine Regelungslücke liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe die Bildung von Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretungen auch in Sonderfällen im Gesetz ausdrücklich geregelt.
Mit Beschluss vom 19. Juni 2012 - 21 BV 3/12 hat das Arbeitsgericht Hamburg den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag finde im Gesetz keine Stütze. Die Voraussetzungen des § 97 Abs. 2 Satz 2 SGB IX seien nicht gegeben, da im vorliegenden Fall das Unternehmen nicht nur aus einem Betrieb bestehe.
Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses unter II (Seite 4, Bl. 41 d. A.) verwiesen.
Der Beteiligte zu 1 hat gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 2. Juli 2012 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts am 18. Juli 2012 Beschwerde eingelegt und seine Beschwerde am Montag, den 3. September 2012 begründet.
Der Beteiligte zu 1 ist der Ansicht, daraus, dass er innerhalb des Konzerns die einzige Schwerbehindertenvertretung und nach § 97 Abs. 1 SGB IX Gesamtschwerbehindertenvertretung darstelle, könne nicht die Unzulässigkeit einer Konzernvertretung durch ihn, den Beteiligten zu 1, gefolgert werden. Dies wäre nicht sachgerecht, weil der Wortlaut des § 97 Abs. 2 SGB IX insoweit nicht eindeutig sei und dies darüber hinaus auf eine eklatante Missachtung des gesetzgeberischen Willens hinausliefe, den Ausbau des Schwerbehindertenschutzes zu fördern.
Die Auffassung des Arbeitsgerichts führe auch zu bedenklichen Schutzlücken, da die Schwerbehinderten, die in anderen Unternehmen des Konzerns tätig seien, keine institutionelle Repräsentation durch eine Schwerbehindertenvertretung erführen. Eine Differenzierung zwischen vertretenen und vertretungslosen Schwerbehinderten verschiedener Unternehmen unter dem Dach eines übergeordneten Konzerns wäre mit Blick auf Artikel 3 GG ohnehin nicht haltbar. Die Annahme einer automatischen Erstreckung der Schwerbehindertenvertretung auf die Konzernvertretung widerspreche im Übrigen auch den aus der UN-Behindertenrechtskonvention resultierenden völkerrechtlichen Verpflichtungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren wird auf die Beschwerdebegründung vom 3. September 2...