Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrzahl von Kündigungen. Zeugnis
Leitsatz (amtlich)
1. Eine einheitliche Bewertung mehrerer Kündigungen mit der Obergrenze des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG setzt voraus, daß es sich um zeitnahe Kündigungen oder um Kündigungen handelt, die auf denselben Grund gestützt werden.
2. Ein in einem gerichtlichen Vergleich mitgeregelter Anspruch auf Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses ist nicht in der Höhe des letzten Monatsverdienstes, sondern erheblich geringer, in Höhe des Titulierungsinteresses anzusetzen, wenn nicht auf die Erteilung oder die Berichtigung eines bestimmten Zeugnisses geklagt worden ist und auch nicht im Vergleich der Inhalt des Zeugnisses im einzelnen festgelegt wird. Insofern ist ein Wert von DM 500,– angemessen.
Normenkette
ArbGG § 12 Abs. 7; ZPO § 3
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 16.06.1994; Aktenzeichen 9 Ca 383/93) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers vom 16. Juni 1994 wird der Streitwertbeschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. Juni 1994 – 9 Ca 383/93 – wie folgt abgeändert:
Tatbestand
Die Beschwerde richtet sich unter anderem gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes durch das Arbeitsgericht gemäß § 10 Abs. 1 BRAGO für zwei in demselben Verfahren angegriffenen Kündigungen desselben Arbeitsverhältnisses.
Der Beschwerdeführer ist der Kläger des vorliegenden Verfahrens.
Der 60 Jahre alte Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. April 1955 zunächst als Auszubildender und im Anschluß daran als Speditionskaufmann beschäftigt. Er erzielte zuletzt ein monatliches Gehalt von DM 7.725,00 brutto incl. Nebenleistungen.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zunächst mit Schreiben vom 3. August 1993 aus verhaltensbedingten Gründen zum 31. August 1994, hilfsweise zum 31. Dezember 1994.
Mit Schreiben vom 11. November 1993 kündigte die Beklagte dem Kläger daneben aus betriebsbedingten Gründen zum 30. November 1994, hilfsweise zum 31. Dezember 1994.
Diese Kündigungen griff der Kläger mit einer dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Klage und einer Klageerweiterung an. In der öffentlichen Sitzung vom 19. Januar 1994 wurde der Rechtsstreit durch einen Abfindungsvergleich erledigt, wonach u. a. das Arbeitsverhältnis mit dem 31. März 1994 endete und der Kläger als Abfindung DM 75.000,00 erhielt. Nach Ziffer 3 des Vergleiches übertrug die Beklagte dem Kläger das Eigentum an einem PKW zu einem Kaufpreis von DM 10.000,00, welcher mit der Abfindung verrechnet wurde. Nach Ziffer 6 des Vergleiches erteilt die Beklagte dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis.
Das Arbeitsgericht setzte in dem angefochtenen Beschluß den Gegenstandswert für die Klage und die Klageerweiterung auf je DM 23.175,00 und für den Vergleich auf DM 83.125,00 fest.
Der Kläger vertritt die Ansicht, der Gegenstandswert sei für die Kündigungen mit dem vierfachen Bruttomonatsverdienst auf DM 30.900,00, für den Vergleich auf DM 46.350,00 festzusetzen, wobei sich Ziffer 3 des Vergleiches nicht streitwerterhöhend auswirke und Ziffer 6 nur mit DM 500,00 in Anrechnung zu bringen sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die vom Kläger eingelegte Beschwerde ist gemäß § 10 Abs. 3 BRAGO, § 569 ZPO fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig.
Der Beschwerdegegenstand übersteigt auch DM 100,00 (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO).
Sie ist jedoch nur zu einem geringen Teil begründet.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch für die zweite Kündigung der volle Wert des Drei-Monats-Einkommens (§ 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG) in Ansatz zu bringen.
Die Frage, wie der Streitwert festzusetzen ist, wenn mehrere Kündigungen Gegenstand eines Rechtsstreits sind, wird in der Rechtsprechung außerordentlich kontrovers beurteilt.
Einigkeit besteht lediglich dahin gehend, daß es sich bei mehreren Kündigungen um mehrere Streitgegenstände im Sinne des Prozeßrechts handelt, wobei Streitgegenstand jeweils die Frage ist, ob ein Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung zu einem bestimmten Termin aufgelöst worden ist (vgl. BAG in ständiger Rspr. s. EzA § 4 KSchG Nr. 14).
Unterschiede bestehen jedoch bei der Beurteilung der Frage, ob dem sozialen Anliegen des Gesetzgebers nur dann Rechnung getragen wird, wenn auch bei mehreren zeitnahen Kündigungen desselben Arbeitsverhältnisses, die gerichtlich angegriffen werden, der Höchstbetrag des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG nicht überschritten werden darf (so BAG, Beschluß v. 20.01.1967 in AP Nr. 16 zu § 12 ArbGG 1953; LAG Hannover, Beschluß v. 08.02.1994, MDR 1994, Seite 627 f) oder aber der Vierteljahresverdienst als Regelverdienst für jeden Beendigungsakt gesehen werden muß und nur geprüft werden kann, ob für nachfolgende Beendigungsakte eine streitwertmäßige Privilegierung angebracht ist (so LAG Hamburg. Beschluß v. 11.11.1983 – 1 Ta 12/83-AnwBl. 1984, S. 316f; Beschluß v. 30.05.1984 – 7 Ta 6/84 – AnwBl. 1985, S. 98 f; Beschluß v. 07.08.1987 – 1 Ta 5/87 – LAGE § 12 „Streitwert” Nr. 67).
Teilweise wird eine einheitliche Bewertung davon abhängig gemacht, ob es sich um zeitnahe Kündigungen (vgl. LAG ...