Leitsatz (amtlich)

Der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff hat sich im Hinblick auf seine Funktion in der Regel an der räumlich-arbeitstechnisch verbundenen Tätigkeit unter Berücksichtigung wirtschaftlich-sozialer Abhängigkeiten und Verflechtungen zu orientieren. Dies ist gerade auch für den Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen innerhalb eines Konzerns. Das Erfordernis einer Führungsvereinbarung ist nicht zwingend.

 

Normenkette

BetrVG 1972 §§ 1, 18 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 17.08.1995; Aktenzeichen 8 BV 18/94)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. August 1995 – 8 BV 18/94 – wird zurückgewiesen.

Der hilfsweise gestellte Gegenantrag der Beteiligten zu 2) wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten besteht Streit mit dem Ziel, die Zuständigkeit des Betriebsrates zu klären darüber, ob die Beteiligten zu 2) und zu 3) einen einheitlichen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes bilden, mithin der Beteiligte zu 1), der bei der Beteiligten zu 2) gebildete Betriebsrat, auch für den Betrieb der Beteiligten zu 3) zuständig ist. Im Beschwerdeverfahren begehrt die Beteiligte zu 2) hilfsweise als Gegenantrag die Feststellung, daß weitere Gesellschaften, die Beteiligten zu 4) bis 7), bei denen ebenfalls die Einflußnahme der Beteiligten zu 2) als Gesellschafterin besteht, mit der Beteiligten zu 2) einen einheitlichen Betrieb bilden.

Antragsteller und Beteiligter zu 1) ist der bei der Beteiligten zu 2) gewählte 15-köpfige Betriebsrat.

Bei der Beteiligten zu 2) handelt es sich um ein international tätiges und bekanntes Druck- und Verlagshaus in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, deren Komplementärin eine Aktiengesellschaft ist. In dem Verlagsunternehmen der Beteiligten zu 2) werden eine Vielzahl von Zeitschriften hergestellt. Der Verlag ist gegliedert in 6 Verlagsgruppen, denen jeweils bestimmte Zeitschriften zugeordnet sind. Daneben gibt es die Fachbereiche „Vertrieb” und „Anzeigen”. Der Verlag beschäftigt ca. 1.800 Arbeitnehmer.

Die Beteiligte zu 3) ist eine im Jahre 1985 errichtete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die zunächst als sogenannte Mantelgesellschaft ohne besondere Aufgaben und Unternehmenszwecke gegründet wurde. Sie ist eine 100 prozentige Tochtergesellschaft der Beteiligten zu 2); die Beteiligte zu 2) ist einzige Gesellschafterin der Beteiligten zu 3). Bereits im Jahre 1985 wurde zwischen der Beteiligten zu 3) und der Beteiligten zu 2) ein Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Bei der Beteiligten zu 3) sind derzeit 73 Personen fest angestellt. Ein Betriebsrat ist bei der Beteiligten zu 3) nicht gebildet.

Ende 1993 stattete die Beteiligte zu 2) die Beteiligte zu 3) nach einer Änderung des Gesellschaftsvertrages in Verfolgung des Plans, daß die Beteiligte zu 3) eine neue zweiwöchentlich erscheinende Programmzeitschrift auf den Markt bringen sollte, mit tatsächlichen und finanziellen Betriebsmitteln aus. Seit September 1994 produziert die Beteiligte zu 3) dementsprechend die Zeitschrift „…”; zuvor lief bereits das Entwicklungsprojekt. Erstmals erschien „…” im Dezember 1994 zum Verkauf am Kiosk. Im Zuge der Entwicklung dieser Programmzeitschrift entstand die Idee, auch die Beilage zum … „…” bei der Beteiligten zu 3) produzieren zu lassen (vergl. den entsprechenden Dienstleistungsvertrag mit Beginn ab 10. Oktober 1994 unter Anlage Ag 4); 5 der in diesem Vertrag unter Ziffer 5 bezeichneten Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2) wurden ab dann im Wege echter Arbeitnehmerüberlassung an die Beteiligte zu 3) überlassen. Ab Oktober 1994 stellte die Beteiligte zu 3) die Beilage „…” her.

Nach dem Gesellschaftsvertrag der Beteiligten zu 3) sind bestimmte Maßnahmen und Geschäfte der vorherigen Zustimmung durch Beschluß des Gesellschafters vorbehalten. Dies wurde in der Geschäftsordnung für die Geschäftsführer der Beteiligten zu 3) vom 22. Februar 1994 festgelegt (vergl. Anlage Ag 2). Unter anderem heißt es in dieser Geschäftsordnung:

„Folgende Maßnahmen und Geschäfte bedürfen der vorherigen Zustimmung durch Beschluß der Gesellschafter, soweit sie nicht bereits im gebilligten Etat enthalten sind:

8. Bestellung und Abberufung von Chefredakteuren, stellvertretenden Chefredakteuren, leitenden Angestellten sowie Abteilungsleitern, die direkt der Geschäftsführung zugeordnet sind,

9. Einstellung von Mitarbeitern, deren Jahresbezüge TDM 80 überschreiten bzw. deren Kündigungsfristen und/oder Vertragslaufzeiten mehr als 12 Monate betragen,

12. Gewährung oder Änderung von Gewinn- oder Umsatzbeteiligungen oder Prämien einschl. außervertraglicher Tantiemen an die gesamte Belegschaft oder einen Teil der Belegschaft; ausgenommen sind leistungsbezogene Vergütungen an Mitarbeiter, die unmittelbar am Verkauf beteiligt sind und leistungsbezogene Einzelvergütungen,

14. Erteilung von Generalvollmachten oder Prokuren,

19. Abschluß ...

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