Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsbeschluss zur Einleitung eines Beschlussverfahrens. Genehmigung der Prozessführung. sachkundiger Arbeitnehmer als Auskunftsperson. Sachverständiger. Erforderlichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Heilung der Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses über die Einleitung eines Beschlussverfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwalts kann nicht nur bis zum Abschluss der ersten Instanz erfolgen. Auch wenn man davon ausgeht, dass ein solcher Beschluss des Betriebsrats nicht rückwirkend eine Rechtsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch des Betriebsrats für die im erstinstanzlichen Rechtszug angefallenen Rechtsanwaltsgebühren schaffen kann (BAG 5. April 2000 – 7 ABR 6/99 – EzA § 40 BetrVG 1972 Nr 91), kann eine Genehmigung einer Prozessführung einschließlich der Einlegung eines Rechtsmittels grundsätzlich noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz erfolgen (aA BAG 18. Februar 2003 – 1 ABR 17/02 – EzA § 77 BetrVG 2001 Nr 4).
2. Wenn der Betriebsrat ohne sachkundige Unterstützung eine Aufgabe nicht ordnungsgemäß wahrnehmen kann, muss er zunächst die ihm vom Arbeitgeber gebotene Möglichkeit der Unterrichtung durch Fachkräfte des Betriebes oder Unternehmens nutzen, ehe er die Beiziehung eines Sachverständigen gemäß § 80 Absatz 3 BetrVG als erforderlich ansehen darf. Dieser vom BAG in Bezug auf EDV-Systeme entwickelte Grundsatz gilt auch für andere Gegenstände wie zB die rechtliche Beurteilung von Formulararbeitsverträgen. Auch bei einem solchen Gegenstand darf der Betriebsrat die Inanspruchnahme der vom Arbeitgeber angebotenen Fachkräfte nicht von vornherein mit der pauschalen Begründung ablehnen, diese Personen besäßen nicht sein Vertrauen.
3. Der Betriebsrat ist in der Regel ggf auch gehalten, initiativ die durch das BetrVerf-ReformG (Juris BetrVRG) in § 80 Abs 2 Satz 3 BetrVG eingeführte Verpflichtung des Arbeitgebers zu nutzen, ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen.
4. Der Betriebsrat muss auch dann zunächst den innerbetrieblichen Sachverstand ausschöpfen, wenn hierdurch voraussichtlich die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht entfällt, dessen Tätigkeit aber voraussichtlich effizienter und weniger kostenaufwändig sein wird.
Normenkette
BetrVG §§ 40, 80 Abs. 3; ZPO §§ 80-81
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 23.09.2003; Aktenzeichen 4 BV 4/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. September 2003 – 4 BV 4/03 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die in der Beschwerdeinstanz zuletzt gestellten Anträge abgewiesen werden.
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Beteiligten zu 1), des bei der Beteiligten zu 2) gewählten Betriebsrats, einen Rechtsanwalt als Sachverständigen zur Überprüfung der rechtlichen Zulässigkeit der von der Arbeitgeberin verwendeten Arbeitsvertragsmuster hinzuzuziehen.
Bei der Arbeitgeberin, einem Unternehmen der Medienwirtschaft, kommen bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Arbeitsvertragsmuster zum Einsatz. Bis in die Beschwerdeinstanz waren dies für Angestellte, Redakteure und Layouter die Anlagen K 1 bis K 3 zur Antragsschrift (Bl. 5 ff. d. A.). Während des Beschwerdeverfahrens hat die Arbeitgeberin für Redakteure und kaufmännische Mitarbeiter mit unbefristeter Anstellung neue Arbeitsvertragsmuster entwickelt, die nunmehr zum Abschluss neuer Verträge eingesetzt werden (Anlage B 1, B 2, Bl. 235 ff. d. A.).
Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden.
Mit Schreiben vom 09. Dezember 2002 (Anlage K 4, Bl. 21 d. A.) wandte sich der Betriebsrat an die Arbeitgeberin und bat um Zustimmung, einen Sachverständigen hinzuziehen zu können, um die bei der Arbeitgeberin verwendeten Formulararbeitsverträge daraufhin zu überprüfen, ob sie sich im Einklang mit den geltenden Gesetzen und Tarifverträgen befinden. Als Sachverständigen benannte der Betriebsrat Herrn Rechtsanwalt K. M.-K. und teilte mit, dass eine rechtliche Grobbewertung der Verträge mit einem Honoraraufwand von maximal EUR 460,00 zuzüglich Mehrwertsteuer zu veranschlagen sei. Dabei sei nach tatsächlichem Aufwand abzurechnen.
Die Arbeitgeberin lehnte das Begehren des Betriebsrats mit Schreiben vom 12. Dezember 2002 ab (Anlage K 5, Bl. 22 d. A.). Auch die spätere Korrespondenz zwischen den Betriebsparteien führte zu keiner Annäherung.
Mit seinem am 28. Februar 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat sein Begehren hinsichtlich der Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Überprüfung der Wirksamkeit der Arbeitsvertragsmuster der Arbeitgeberin weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, sein entsprechender Antrag sei gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG begründet. Denn der Betriebsrat habe die allgemeine Aufgabe, darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und übrigen Rechtsvorschrift...