Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässiges Ablehnungsgesuch bei Ablehnung aller Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit. Unzulässiges Ablehnungsgesuch mangels nachvollziehbarer Begründung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die pauschale Ablehnung einer ganzen Kammer offensichtlich unzulässig ist. Dies muss erst recht gelten, wenn nicht nur Mitglieder der zur Entscheidung berufenen Kammer, sondern sämtliche Richterinnen und Richter der betreffenden Gerichtsbarkeit abgelehnt werden.

2. Wird das Ablehnungsgesuch damit begründet, dass die Spruchkörper der Gerichte für Arbeitssachen nach den maßgebenden Geschäftsverteilungsplänen nur mit männlichen und weiblichen Mitgliedern, nicht aber mit Hermaphroditen besetzt seien, ist das Gesuch als unzulässig zurückzuweisen, da sich aus diesem Vortrag keine Befangenheit eines einzelnen Richters ergeben kann.

 

Normenkette

EMRK Art. 34

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 01.11.2022; Aktenzeichen 25 Ca 64/20)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 16.10.2023; Aktenzeichen 1 BvR 1687/23, 1 BvR 1750/23)

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Klagepartei vom 1. November 2022 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Über das außerhalb mündlicher Verhandlung angebrachte Ablehnungsgesuch entscheidet die Kammer des Landesarbeitsgerichts, welcher der abgelehnte Kammervorsitzende angehört, ohne dessen Mitwirkung durch die ehrenamtlichen Richter dieser Kammer und den nach dem Geschäftsverteilungsplan berufenen Vertreter. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es nicht (§ 128 Abs. 4 ZPO). II.

1. Mit Schriftsatz vom 1. November 2022 (dort Seite 2, Bl. 171 der PKH-Akte) hat die Klagepartei einen Antrag auf Ablehnung des/der zur Entscheidung über ihren PKH-Antrag "im Beschwerdeverfahren berufenen Richter:Innen wegen Besorgnis der Befangenheit//Fehlende Unparteilichkeit der Repräsentanten und Repräsentantinnen des Deutschen Staats gegenüber Hermaphroditen//Gesamtgesellschaftlicher Tötungskonsens für Hermaphroditen//" gestellt.

Die Klagepartei hat infolge des auf die Dienstliche Äußerung des abgelehnten Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Rath vom 11. Januar 2023 eingeräumten rechtlichen Gehörs mit Schriftsatz vom 21. Februar 2023 (Bl. 202 der PKH-Akte) ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, bei der geäußerten Besorgnis der Befangenheit handele es sich um eine kollektive Besorgnis der Befangenheit gegenüber einem jeden deutschen Arbeitsrichter und einer jeden deutschen Arbeitsrichterin. Da es sich um Systemrassismus gegenüber Hermaphroditen im deutschen Justizwesen handele, sei die Problematik bzgl. der Besorgnis der kollektiven Besorgnis der Befangenheit in jedem arbeitsgerichtlichen Verfahren identisch. Ergänzend rügt die Klagepartei mit ihrem Ablehnungsgesuch offenbar eine rein männliche und weibliche Besetzung von Spruchkörpern der Arbeitsgerichtsbarkeit infolge von Geschäftsverteilungsplänen, welche nicht vorsähen, dass Hermaphroditen Teil eines Spruchkörpers sein könnten. Ergänzend nahm die Klagepartei für die Begründung des Ablehnungsgesuchs auf eine Beschwerde gemäß Art. 34 EMRK vom 17. Februar 2023 Bezug.

2. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig.

a) Die Klagepartei lehnt offenbar sämtliche Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit ab.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass die pauschale Ablehnung einer ganzen Kammer offensichtlich unzulässig ist (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. April 2021 - 1 BvR 2552/18 -, Rn. 1, juris). Dies muss erst recht gelten, wenn - wie hier - nicht nur Mitglieder der zur Entscheidung berufenen Kammer, sondern sämtliche Richterinnen und Richter der betreffenden Gerichtsbarkeit abgelehnt werden.

b) Zudem ist ein Ablehnungsgesuch, das lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, offensichtlich unzulässig (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. Juli 2013 - 1 BvR 782/12 -, Rn. 3, juris).

Auch dies trifft auf das vorliegende Ablehnungsgesuch zu. Die Klagepartei führt keine nachvollziehbaren Umstände an, die - bezogen auf den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rath - eine Besorgnis der Befangenheit begründen könnten. Soweit die Klagepartei mit ihrem Ablehnungsgesuch bemängelt, dass die Spruchkörper der Gerichte für Arbeitssachen nach den maßgebenden Geschäftsverteilungsplänen nur mit männlichen und weiblichen Mitgliedern besetzt seien, ist - selbst wenn dies der Fall sein sollte - der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Rath hierfür nicht verantwortlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 16143549

FA 2024, 82

EzA-SD 2024, 16

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