Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Umfang der Auskunftspflicht der zentralen Leitung nach § 51 EBRG. Umfassende Unterstützung des GBR bei der Bildung eines EBR von Gesetzes wegen
Leitsatz (amtlich)
1. Die im Inland gelegene (fingierte) zentrale Leitung schuldet dem GBR in Zusammenhang mit der Bildung eines EBR jede erforderliche Auskunft (hier: hinsichtlich der Gesamtzahl der [xxxxx] in den Mitgliedsstaaten der Unternehmensstruktur und der Namen und Anschriften der Mandatsträger)
2. Lücken im EBRG sind durch Rechtsanalogie entsprechend zu schließen.
3. Der prozessuale Einwand, die zentrale Leitung könne diese Auskünfte faktisch nicht erteilen, berührt nicht de materiellen Anspruch, anderenfalls eine Naturalobligation vorläge.
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 10.12.1998; Aktenzeichen 14 BV 1/98) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. Dezember 1998 – 14 BV 1/98 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Zusammenhang mit der Errichtung eines Europäischen Betriebsrats (EBR) über Auskunftspflichten, insbesondere darüber, ob die Beteiligte zu 2) zur Auskunft nach § 5 EBRG auch dann verpflichtet werden könnte, wenn sie faktisch nicht die Möglichkeit hätte, die begehrte Auskunft zu erteilen. Ferner streiten die Beteiligten darüber, ob sich der Auskunftsanspruch auf die Namen und Anschriften der bei den Konzerntöchtern in anderen Mitgliedsstaaten gebildeteten Arbeitnehmervertretungen erstreckt.
Antragsteller und Beteiligter zu 1) ist der Gesamtbetriebsrat (GBR) im Unternehmen der Beteiligten zu 2). Diese gehört zu einer gemeinschaftsweit tätigen Unternehmensgruppe, deren zentrale Leitung sich in der Schweiz als Drittstaat befindet.
Die Antragsgegnerin hat im Inland 16 Niederlassungen. Die Gesamtzahl der bei ihr Beschäftigten beträgt ca. 4.500. Sie ist damit das Unternehmen mit den gemeinschaftsweit meisten Beschäftigten.
Bereits im November 1996 wandten sich der Konzernbetriebsrat, vertreten durch Herrn … als Verhandlungsführer, und zwei Arbeitnehmervertreter der … Niederlande zwecks Bildung eines besonderen Verhandlungsgremiums mit einem Auskunftsersuchen an die Beteiligte zu 2) (Bl. 7 – 8 d. A.). Im September 1997 wies die Beteiligte zu 2) das Ersuchen mit dem Hinweis auf die mangelnde Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats zurück (Bl. 12 d. A.). Mit Schreiben vom 9. Dezember 1997 kam es zu einem weiteren Antrag durch Herrn … als Verhandlungsführer des Konzernbetriebsrats und zugleich des Gesamtbetriebsrats (GBR) und Frau … vom Betriebsrat der … Luxembourg (Bl. 33 d. A.). Unter dem 21. Januar 1998 zogen drei Mitglieder des Personalausschusses der … Spedition S.A. R. L. Luxembourg – darunter Frau … – ihren Antrag zur Bildung eines Europäischen Betriebsrats zurück (Bl. 89 d. A.).
Mit Schreiben vom 9. Juni 1998 wiederholte der GBR den Antrag unter Hinweis auf § 9 EBRG zur Bildung eines besonderen Verhandlungsgremiums (Bl. 49 d. A.).
Der GBR begehrt im vorliegenden Verfahren Auskunft nach § 5 Abs. 1 EBRG sowie die Mitteilung von Namen und Anschriften der gemeinschaftsweit in den übrigen … Unternehmen gebildeten Arbeitnehmervertretungen, die er nach seinem Verständnis für seine Initiative zur Errichtung eines EBR benötigt.
Der GBR hat vorgetragen, die Antragsgegnerin als die vom Gesetz fingierte zentrale Leitung sei ihm gegenüber zur Auskunft verpflichtet. Der Umfang der Auskunft ergebe sich aus § 5 Abs. 1 EBRG, erstrecke sich aber auf die vollständigen Namen und Anschriften der bei der Unternehmensgruppe gemeinschaftsweit gebildeten Arbeitnehmervertretungen, die an der Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums ausreichend zu beteiligen seien. Er selbst verfüge diesbezüglich nicht über die nötigen Informationen. Der abgeleitete Informationsanspruch ergebe sich aus § 9 EBRG. Weil die zentrale Leitung ersichtlich die Aufnahme von Verhandlungen verweigere, komme letztlich nur die Bildung eines EBR kraft Gesetzes in Betracht. Zumindest in diesem Zusammenhang aber benötige er zwecks Kontaktaufnahme zu den anderen Arbeitnehmervertretungen die entsprechenden Namen und Anschriften.
Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,
die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, ihm Auskünfte zu erteilen über
- die durchschnittliche Gesamtzahl der Arbeitnehmer und ihre Verteilung auf die Mitgliedsstaaten gemäß § 2 Abs. 3 EBRG, die Unternehmen und Betriebe sowie über die Struktur der Unternehmensgruppe,
- die Namen und Anschriften der in Betrieben und Unternehmen in den Mitgliedsstaaten gemäß § 2 Abs. 3 EBRG vorhandenen Arbeitnehmervertretungen.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, sie sei faktisch nicht in der Lage, die begehrte Auskunft zu erteilen, ganz abgesehen davon, daß es für das Auskunftsverlangen zu Ziffer 2) an einer Rechtsgrundlage fehle. Die A...