Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs, Information über durchgeführte und beabsichtigte Bildungsmaßnahmen,. Auskunftsanspruch des Betriebsrats zum Berufsbildungsbedarf. Wahrnehmung der Beteiligungsrechte bei Leiharbeit
Leitsatz (amtlich)
Der Betriebsrat kann gemäß § 96 Abs. 1 BetrVG verlangen, dass vor oder im Zuge der Beratung der Arbeitgeber den Berufsbildungsbedarf ermittelt. Hiermit hat der Arbeitgeber nicht nur eine Pflicht, vorhandenes Wissen weiterzugeben, sondern auch sich Informationen zu verschaffen. Die danach zu erteilenden Informationen und Auskünfte sind "auf Verlangen" des Betriebsrates zu erteilen, deshalb ist eine Verurteilung des Arbeitgebers zu einer zukünftigen Leistung, bspw. "einmal Im Jahr" diese Auskünfte zu erteilen nicht möglich. Eine nur mündliche Information über den Berufsbildungsbedarf und eine mündliche Beratung sind ausreichend iSd. § 96 Abs. 1 BetrVG.
Die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte aus § 96 BetrVG steht in Bezug auf die Leiharbeitnehmer dem Betriebsrat des Verleiherbetriebes zu.
Normenkette
BetrVG § 96 Abs. 1; AÜG §§ 14, 14 Abs. 1-2; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 21.03.2012; Aktenzeichen 26 BV 8/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird unter Zurückweisung der Beschwerde des Antragstellers - hinsichtlich des Begehrens auf Informationen über interne Trainings als unzulässig - der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. März 2012 - 26 BV 8/11 - teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:
Der Antragstellerin wird aufgegeben, den Berufsbildungsbedarf gemäß § 96 Abs. 1 S. 2 BetrVG zu ermitteln und mit dem Antragsteller die Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer des Betriebsrats zu beraten, insbesondere
a. binnen eines Monats nach Rechtskraft des Beschlusses den Antragsteller über die auf die auszuübende Tätigkeit bezogenen vorhandenen Qualifikationen (jeweils bezogen auf die einzelnen Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden) zu informieren;
b. binnen eines Monats nach Rechtskraft des Beschlusses dem Antragsteller den Qualifikationsbedarf für die vorhandenen Arbeitsplätze mitzuteilen;
c. binnen eines Monats nach Rechtskraft des Beschlusses den Antragsteller über die durchgeführten Bildungsmaßnahmen des abgelaufenen Kalenderjahres bezogen auf jeden einzelnen Arbeitnehmer zu informieren;
d. binnen eines Monats nach Rechtskraft des Beschlusses den Antragsteller über die geplanten Maßnahmen der Berufsbildung, Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und beruflichen Umschulung für das jeweilige Kalenderjahr zu informieren;
e. binnen eines Monats nach Rechtskraft des Beschlusses den Antragsgegner darüber zu informieren, ob die Änderung der Arbeitsabläufe und der Arbeitsinhalte, die Einführung neuer technischer Einrichtungen oder anderer Investitionen geplant sind, die Auswirkungen auf den Berufsbildungsbedarf der beschäftigten Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden haben.
Die weitergehenden Anträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.
Die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über Inhalt und Umfang der Verpflichtungen der Beteiligten zu 2. zur Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs i.S.d. § 96 BetrVG.
Die Beteiligte zu 2. ist ein Unternehmen des Gesundheitswesens und betreibt in Hamburg R. ein Krankenhaus. Sie beschäftigt ca. 370 eigene Mitarbeiter sowie 380 Leiharbeitnehmer des V. e.V.
Die Beteiligte zu 2. wendet die Konzernbetriebsvereinbarung Leiharbeit vom 6. Juli 2010 an, hinsichtlich deren Inhalt auf Bl. 100 ff. d.A. verwiesen wird.
Mit Schreiben vom 22. Februar 2011 (Anlage Ast 3, Bl. 27 ff. d.A.) forderte der Beteiligte zu 1. die Beteiligte zu 2. auf, bis zum 15. März 2011 den Berufsbildungsbedarf gemäß § 96 Abs. 1 S. 2 BetrVG zu ermitteln und mit ihm Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer zu beraten. Die Beteiligte zu 2. teilte dem Beteiligten zu 1. daraufhin mit Schreiben vom 3. März 2011 (Anlage Ast 4, Bl. 32 d.A.) mit, dass der Berufsbildungsbedarf derzeit ermittelt werde und überreichte letztendlich mit Schriftsatz vom 17. November 2011 eine Matrix (Anlage Ag 1, Bl. 66 d.A.).
Der Beteiligte zu 1. hat vorgetragen, die von der Beteiligten zu 2. erstellte Matrix genüge nicht den Anforderungen des § 96 Abs. 1 BetrVG. Die Beteiligte zu 2. müsse zur Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs eine Ist-Analyse durchführen und ermitteln, welche Beschäftigten über welche beruflichen Qualifikationen verfügen, des Weiteren müsse sie ein Soll-Konzept erstellen und das betriebliche Bildungsinteresse der Arbeitnehmer ermitteln. Deshalb könne der Beteiligte zu 1. von der Beteiligten zu 2. die in den Anträgen umrissenen Informationen in der begehrten Form verlangen. Anderenfalls könne er seine Beteiligungsrechte nicht sachgerecht wahrnehmen. Eine Einschränkung der Beteiligungsrechte nach § 96 Abs. 1 BetrVG auf Fälle des § 97 Abs. 2 BetrVG sehe das Gesetz nicht vor und widerspreche...