Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsvertragsregelungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Kein Schriftformerfordernis für auflösende Bedingung bei Bezugnahme auf einen Tarifvertrag. Arbeitsrechtliche Befristungskontrolle bei Tarifnormen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Regelungen im Arbeitsvertrag, die für eine Vielzahl von Fällen gelten und eine uneingeschränkte Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge vorsehen, sind Allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie müssen der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB standhalten, dürfen nicht überraschend sein (§ 305c Abs. 1 BGB) und müssen dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechen. Mit der Formulierung "Für das Arbeitsverhältnis gelten die für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung" sind die anwendbaren Tarifverträge hinreichend bestimmt. Diese Formulierung genügt dem Transparenzgebot und enthält weder überraschende Klauseln noch eine einseitig bevorteilende Regelung.

2. Wenn ein Arbeitsvertrag insgesamt auf einen Tarifvertrag verweist, der auch Regelungen über auflösende Bedingungen des Arbeitsverhältnisses enthält, bedarf es nicht des Schriftformerfordernisses der §§ 21, 14 Abs. 4 TzBfG i.V.m. § 125 BGB. Denn das Schriftformerfordernis der §§ 14 Abs. 4 und 21 TzBfG soll unnötigen Streit über das Vorliegen und den Inhalt einer Befristung oder Auflösungsabrede vermeiden. Dieser Klarstellungs-, Beweis- und Warnfunktion bedarf es nicht, wenn sich das Arbeitsverhältnis insgesamt nach den Bedingungen eines Tarifvertrages richtet, der eine Befristung oder auflösende Bedingung vorsieht.

3. Tarifliche Bestimmungen, die zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eintritt einer auflösenden Bedingung führen, müssen den Anforderungen der arbeitsrechtlichen Befristungskontrolle genügen. Es muss also ein Sachgrund i.S.v. § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben sein. Dabei ist einerseits der arbeitsvertragliche Bestandsschutz im Interesse der Gewährleistung der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit zu beachten, andererseits aber auch der weite Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien aus Art. 9 Abs. 3 GG, verbunden mit der Einschätzungsprärogative, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten, der betroffenen Interessen und der Regelungsfolgen geht.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1; BGB § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 2; TzBfG § 14 Abs. 1, 4, § 21

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 03.02.2016; Aktenzeichen 27 Ca 594/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 3. Februar 2016 (27 Ca 594/14) wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien haben - soweit per Teilurteil entschieden - erst- und zweitinstanzlich über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist sowie einer hilfsweise ordentlichen Kündigung, über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer tarifvertraglichen Regelung und über Rückforderungsansprüche der Beklagten gestritten. Noch nicht entschieden ist über die Klagerweiterung des Klägers mit Schriftsatz vom 26. Juli 2016, Anträge zu 5., 6. (allgemeiner Feststellungsantrag, Annahmeverzugslohn, Bl. 324 d.A.) sowie über den Antrag vom 1. September 2016 (zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärt, Bl. 408 d.A. - erneute Mitteilung vom 15. März 2016 über die auflösende Bedingung).

Bei der Beklagten und Widerklägerin (im Folgenden: Beklagte) handelt es sich um eine international operierende Dienstleisterin für Informations- und Kommunikationstechnologie, die zur D. AG gehört und ihren Sitz in F. hat.

Der am XX.XX.1967 geborene und geschiedene Kläger und Widerbeklagte (im Folgenden: Kläger) war seit dem 01.09.2002 bei der Beklagten als Solution Manager beschäftigt, wobei das konkrete Tätigkeitsfeld zwischen den Parteien streitig blieb. Sein monatlicher Bruttolohn betrug zuletzt € 4.500,00 mit einer variablen Vergütung in Höhe von € 6.000,00 bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40,00 Stunden. Es wird auf den Arbeitsvertrag Bezug genommen (Anlage K 1, Bl. 8 ff. d.A.). Der Arbeitsvertrag enthält unter § 1 2.) folgende Regelung:

"Für das Arbeitsverhältnis gelten die für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung, soweit im folgenden nichts anderes vereinbart ist.

Die Zuordnung der Geltungsbereiche ist in den jeweiligen §§ 1 festgelegt."

§ 4 der Anlage 1 zum Manteltarifvertrag für die T-Systems International (MTV TSI), dessen Anwendbarkeit zwischen den Parteien streitig ist, lautet:

"[...]

(3) Das Arbeitsverhältnis endet, wenn das ruhende Beamten- oder Arbeitsverhältnis bei der D. AG wieder auflebt."

Es wird auf die Anlage B 2 (Bl. 48 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger war Beamter bei der D1. Nach der Privatisierung der D1 stand er in einem Beamtenverhältnis zu der D. AG. Die D. AG erteilte dem Kläger in seinem Beamtenverhältnis seit dem 01.09.2002 Sonderurlaub, um bei der Beklagten beschäf...

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