Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhinderung des Eintritts einer Bedingung gegen Treu und Glauben. Verlust des Anspruchs auf eine Sonderzuwendung durch Anspruch der Kündigung in einem Zeitpunkt, der zur Einhaltung der Kündigungsfrist nicht erforderlich ist
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber verhindert nicht den Eintritt einer Bedingung in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise (§ 162 Abs. 1 BGB), wenn er bei einem einheitlichen Kündigungsentschluß, nämlich allen Arbeitnehmern das Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstillegung zum 31. März des Folgejahres zu kündigen, alle Kündigungen in dem Zeitpunkt ausspricht, in dem er die Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern mit langer Betriebszugehörigkeit aussprechen muß, um die Kündigungsfrist bis zu dem Zeitpunkt der geplanten Betriebsstillegung einhalten zu können, auch wenn dadurch Arbeitnehmer mit kürzerer Betriebszugehörigkeit einen von dem ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag abhängigen Anspruch auf eine Sonderzuwendung verlieren, obwohl bei ihnen es für die Einhaltung der Kündigungsfrist ausgereicht hätte, die Kündigung erst nach diesem Stichtag auszusprechen.
Normenkette
BGB § 162 Abs. 1; MTV für die ArbV der Süßwarenindustrie in den alten BesländernBerlin-West § 13
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 22.04.1997; Aktenzeichen 10 Ca 694/96) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22. April 1997 – 10 Ca 694/96 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt
der Kläger zu 1) zu 40/100,
der Kläger zu 2) zu 25/100,
der Kläger zu 3) zu 35/100.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger waren bei der Beklagten beschäftigt, und zwar der Kläger zu 1) seit dem 01. Oktober 1989, der Kläger zu 2) seit dem 02. April 1991 und der Kläger zu 3) seit dem 14. Dezember 1987. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Süßwarenindustrie in den alten Bundesländern und Berlin-West der Bundesrepublik Deutschland (künftig MTV) Anwendung.
§ 13 MTV hat u. a. folgenden Wortlaut:
„§ 13 Jahres-Sonderzuwendung u. Sonderzahlung
I. Jahres-Sonderzuwendung für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer
1. Arbeitnehmer, die am 01. Dezember eines Kalenderjahres eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von 11 Monaten haben und sich an diesem Tage im ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, erhalten eine Jahressonderzuwendung. Sie beträgt ab 01. Januar 1994 95 % des tariflichen Monatsentgelts bzw. der tariflichen monatlichen Ausbildungsvergütung für Auszubildende.
1.–6. …
7. Auf die Jahres-Sonderzuwendung können betriebliche Leistungen wie Gratifikationen, Weihnachtsgeld, Jahresabschlußvergütungen, Treueprämien oder übertarifliches Urlaubsentgelt usw. vollangerechnet werden.
8. Die Jahres-Sonderzuwendung ist, soweit im Einverständnis mit dem Betriebsrat nichts anderes vereinbart ist, mit dem Entgelt für den Monat November auszuzahlen.”
Die Beklagte hat ihren Betrieb zum 31. März 1997 stillgelegt. Sie hat allen Arbeitnehmern, und somit auch den Klägern das Arbeitsverhältnis am 23. Oktober 1996 zum 31. März 1997 (in einigen Fällen zum 30. April 1997) gekündigt. Zuvor hatte die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat am 16. September 1996 einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbart. Die in dem Sozialplan vereinbarten Abfindungen haben die Kläger erhalten.
Darüber hinaus hat die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat am 24. September 1996 eine Betriebsvereinbarung „Prämiensystem” abgeschlossen (Bl. 16, 17 d.A.). Nr. 1 der Betriebsvereinbarung „Prämiensystem” hat folgenden Wortlaut:
„Da der Arbeitgeber nunmehr nach Abschluß der Verhandlungen zum Interessenausgleich/Sozialplan allen Arbeitnehmern auf Basis des Interessenausgleichs im Oktober … 1996 kündigen wird, besteht für alle Mitarbeiter kein Anspruch auf eine betriebliche/tarifliche Jahres-Sonderzuwendung. Die Geschäftsleitung hat sich auf Initiative des Betriebsrates vor diesem Hintergrund zur Abmilderung des materiellen Nachteils bezüglich der nicht zur Auszahlung gelangenden Jahres-Sonderzuwendung entschlossen, über die Sozialplankosten hinaus finanzielle Mittel für eine individuelle Prämienregelung für die Zeit vom 30.
September 1996–31. Januar 1997 bereit zu stellen. Die Prämien werden ggf. monatlich für den Vormonat als Brutto-Bezug gezahlt. Vor dem o.g. Hintergrund dieser Regelung werden Prämienzahlungen mit einer eventuell geltend gemachten Jahres-Sonderzuwendung verrechnet, wobei die monatlich ausgezahlten Prämien-Brutto-Bezüge in diesem Sinne insoweit als Vorschuß gelten.”
Die Beklagte hat an die Kläger die Jahres-Sonderzuwendung für das Jahr 1996 nicht gezahlt.
Um das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1997 kündigen zu können, betrugen die tariflichen Kündigungsfristen für den Kläger zu 1) zwei Monate, für den Klä...