Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsfall. Auslegung einer Ruhegeldordnung hinsichtlich des Begriffs „Versorgungsfall”

 

Leitsatz (amtlich)

„Versorgungsfall” ist der Zeitpunkt, in dem Versorgungsansprüche erstmals entstehen. Das gibt zumindes dann, wenn nach dem wirklichen Willen der Betriebsparteien und dem damit beabsichtigten Sinn und Zweck der Regelung, sofern er in der Betriebsvereinbarung seinen Niederschlag gefunden hat, von einer abweichenden Definition dieses Begriffes auszugehen ist.

 

Normenkette

Ruhegeldordnungen der Bekl. bzw. ihrer Rechtsvorgängerin

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 25.01.1993; Aktenzeichen 26 Ca 559/88)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.07.1996; Aktenzeichen 3 AZR 359/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Januar 1993 – 26 Ca 559/88 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, nach welchem Maßstab die Betriebsrente des Klägers den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen ist.

Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der Neuen Heimat Städtebau (NHS) und hat es unter anderem übernommen, betriebliche Ruhegeldansprüche früherer Mitarbeiter der NHS zu erfüllen.

Der Kläger war ursprünglich bis September 1969 bei der Neuen Heimat gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft beschäftigt. Von Oktober 1969 bis zum 31. Dezember 1984 war er als Bauingenieur bei der NHS tätig. Mit Wirkung vom 01. Januar 1985 wechselte er gemäß Sozialplan vom 29. Oktober 1984 (Anlage BK 12 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07.10.1994, Bl. 384 ff. d.A.) zur Firma Planbaucontract GmbH (PBC) über.

Seit November 1987 ist der Kläger wegen des Bezuges einer Erwerbsunfähigkeitsrente bei PBC ausgeschieden. Seit diesem Zeitpunkt zahlt die Beklagte an den Kläger eine Betriebsrente aufgrund einer Ruhegeldzusage der NHS vom Öl. April 1972 von anfänglich DM 2.123,35, die sich durch jährliche Anpassung nach Maßgabe der Entwicklung des Lebenshaltungskostenindexes eines Vierpersonen-Arbeitnehmerhaushaltes bis zum 31. Dezember 1992 auf DM 2.422,62 monatlich erhöht hat.

Die für den Kläger maßgeblichen Ruhegeldansprüche waren in der Ruhegeldordnung 1976 (RGO 1976, Bl. 11–16 d.A.) geregelt. § 11 der RGO 1976 hat folgenden Wortlaut:

„Anpassung laufender Renten.

Bei Beginn, der Rentenzahlung werden die Renten entsprechend den Veränderungen der Gehälter nach dem Gehaltstarifvertrag für die Angestellten in der Wohnungswirtschaft für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland neu berechnet.”

Am 30. September 1980 wurde zwischen den Betriebsparteien eine neue Pensionsvereinbarung (PV 1980, Bl. 310–319 d.A.) vereinbart.

Gemäß § 1 Abs. 2 PV 1980 galt die PV „nicht für diejenigen Arbeitnehmer, die bis zum 31.12.1976 die zehnjährige Wartezeit nach der bisherigen Ruhegeldordnung (RGO) erfüllt und eine Ruhegeldzusicherungsurkunde in der bis zum 31.12.1976 verwendeten Fassung erhalten haben”. Zu diesem Personenkreis zählt auch der Kläger. Nach § 14 der RV 1980 war eine jährliche Anpassung der laufenden Ruhegeldzahlungen nach dem Lebenshaltungskostenindex eines Vierpersonen-Arbeitnehmerhaushaltes vorgesehen. Nach § 18 PV 1980 war eine Ausgleichsregelung für Mitarbeiter, die die Wartezeit nach der RGO bis zum 30. September 1980 erfüllt haben vereinbart worden. Nach § 18 Abs. 3 PV 1980 soll die Anpassung des vorgesehenen Pensionsausgleichs gemäß § 14 erfolgen.

Im Jahr 1981 vereinbarten die Betriebsparteien eine Protokollnotiz zu § 11 RGO 1976 (Anlage BK 7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 11.08.1994, Bl. 337 d.A.), die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

„1.

2. Zu § 11 wird folgende Protokollnotiz vereinbart:

Die Anpassungsvorschrift des § 11 bezieht sich nicht auf unverfallbare Ruhegeldanwartschaften ausgeschiedener Mitarbeiter.

Die unverfallbaren Ruhegeldanwartschaften werden nach Eintritt des Versorgungsfalles jährlich zum Oktober angepaßt. Die Anpassung erfolgt nach Maßgabe der Entwicklung des Lebenshaltungskostenindexes eines Vierpersonen-Arbeitnehmerhaushaltes aufgrund der Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden. Stichtag für den Index ist der 01.04. des laufenden Jahres. …”

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger während der Zeit seiner Beschäftigung bei PBC zum Kreis der „ausgeschiedenen Mitarbeiter” gehörte.

Mit Wirkung vom 30. Juni 1983 vereinbarten die Betriebsparteien eine neue Pensionsvereinbarung (PV 1983, Bl. 23–27 d.A.).

§ 1 PV 1983 hat folgenden Wortlaut:

„Kreis der Pensionsberechtigten

  1. Die Pensionsvereinbarung gilt für alle die am 30.06.1983 Arbeitnehmer der Neuen Heimat gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH Hamburg und Neuen Heimat Städtebau Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im folgenden Unternehmen genannt) waren, und mit denen mindestens 50 % der vollen betriebsüblichen Arbeitszeit vereinbart sind.
  2. Sie gilt auch für Arbeitnehmer, die bis zum 31.12.1976 die Wartezeit nach der bisherigen Ruhegeldordnung (...

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