Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhegeldanspruch. Erlöschen des Ruhegeldanspruchs. Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe
Leitsatz (redaktionell)
Versorgungsregelungen, die das Erlöschen von Versorgungsansprüchen für Versorgungsempfänger vorsehen, sind auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung auf vor Beginn der Rentenleistungen ausscheidende Arbeitnehmer entsprechend anzuwenden.
Normenkette
BetrAVG § 18 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 23.02.2005; Aktenzeichen 16 Ca 80/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. Februar 2005 – 16 Ca 80/04 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Ruhegeldanspruch zusteht.
Mit Arbeitsvertrag vom 02. Oktober 1972 (Anlage K 1, Blatt 4 d. A.) wurde der 1939 geborene Kläger bei der Beklagten als technischer Angestellter angestellt. Seit dem Jahre 1988 ist der Kläger bei der Umweltbehörde der Beklagten beschäftigt gewesen.
Der Kläger ist verheiratet. Er ist unterhaltspflichtig für zwei Kinder, die noch zur Schule gehen. Seine Ehefrau ist nicht berufstätig.
Mit Urteil des Landgerichts Stade vom 28. Februar 1997 wurde der Kläger rechtskräftig wegen eines Totschlags in einem minderschweren Fall, begangen im Herbst 1993, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Deswegen kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 13. März 1997 fristlos. Mit Urteil vom 11. September 2001 – 1 Sa 45/00 – (Blatt 85 bis 114 d. A.) wies das Landesarbeitsgericht Hamburg die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage rechtskräftig ab.
Im Jahre 2002 beantragte der Kläger nach Erreichen des 63. Lebensjahres bei der Beklagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach dem Ersten Ruhegeldgesetz (im Folgenden: 1. RGG). Nachdem die Beklagte dies zuletzt mit Schreiben vom 13. Januar 2004 (Anlage K 2, Blatt 5, 6 d. A.) abgelehnt hatte, verfolgt der Kläger seinen Anspruch mit der vorliegenden Klage weiter.
Der volle Ruhegeldanspruch des Klägers beläuft sich rechnerisch zur Zeit unstreitig auf EUR 417,61 (vergl. Protokoll vom 04. August 2004, S. 2, Blatt 44 d. A.).
Der Kläger hat geltend gemacht, dass die von der Beklagten zur Ablehnung herangezogenen Normen (§ 18 Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3 BetrAVG und § 29 1. RGG) nicht einschlägig seien. Diese bezögen sich auf Straftaten, die ein Ruhegeldempfänger begehe. Als das in Rede stehende Geschehen stattgefunden habe, sei er jedoch noch in ungekündigter Stellung für die Beklagte tätig gewesen.
Mindestens hätte die Beklagte das ihr nach § 37 1. RGG eingeräumte Ermessen ausüben müssen. Sie hätte dabei berücksichtigen müssen, dass er für drei Personen unterhaltsverpflichtet sei. Dies falle ihm angesichts der von ihm jetzt bezogenen Rente von EUR 1.279,32, die unter der Pfändungsfreigrenze liege, nicht leicht.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Ruhegeld in Höhe von EUR 417,61 monatlich ab dem 01. August 2002 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, dass § 29 Abs. 1 und 2 1. RGG erst recht gelten müssen, wenn die Verurteilung, die zur fristlosen Entlassung des Arbeitnehmers geführt habe, noch vor Eintritt des Versorgungsfalles rechtskräftig geworden sei.
Ein Härteausgleich gemäß § 37 1. RGG komme nicht in Betracht, da das Gesetz ausdrücklich das Erlöschen des Versorgungsanspruches regele.
Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 23. Februar 2005 – 16 Ca 80/04 – (Blatt 46 bis 51 d. A.) die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Blatt 49, 50 d. A.) verwiesen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt worden am 15. März 2005 (Blatt 52 d. A.). Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt am 12. April 2005 (Blatt 55 d. A.). Die Berufungsbegründung ist eingegangen am 12. Mai 2005 (Blatt 58 d. A.).
Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen geltend:
Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht einen Anspruch nach § 18 Abs. 3 BetrAVG verneint. Die Erlöschensvorschrift des § 29 1. RGG könne nicht auf verurteilte noch berufstätige Mitarbeiter ausgedehnt werden, da diese Regelung als Eingriffsvorschrift eng auszulegen sei. Dafür spreche auch die Entstehungsgeschichte der Neufassung des § 18 BetrAVG, da wegen verfassungsrechtlicher Bedenken die entsprechende Vorschrift des § 18 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG a. F. im Jahre 2001 gestrichen worden sei.
Ihm stünde das Ruhegeld auch unter dem Aspekt des Härteausgleichs gemäß § 37 1. RGG zu. Die Beklagte habe in keiner Weise ihr Ermessen ausgeübt und sich nicht mit der persönlichen und wirtschaftlichen Situation des Klägers auseinandergesetzt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. Februar 2005 – 16 Ca 80/04 – abzuändern und fes...