Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeinverbindlichkeit u. Nachwirkung. Allgemeinverbindlichkeit u. Nachwirkung u. Beendigung der Nachwirkung
Leitsatz (amtlich)
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 19. Januar 1962, AP Nr. 11 zu § 5 TVG; Urteil vom 18. Juni 1980, AP Nr. 68 zu § 4 TVG Ausschlussfristen; Urteil vom 27. November 1991, EzA § 4 TVG Nachwirkung Nr. 15) und auch der ganz überwiegenden Ansicht der Literatur (vgl. z. B. Erfurter Kommentar/Schaub, 1999, § 6 TVG Rn. 38; Wiedemann, TVG, 6. Auflage, § 4 Rn. 336; Löwisch/Rieble, TVG, Rn. 245; Kempen/Zachert, TVG, 3. Auflage, § 4 Rn. 297; Herschel, ZfA 1976, 89 ff., 98; a.A. Oetker, Anm. zu AP Nr. 15 zu § 4 TVG Nachwirkung) wirken für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge nach ihrem Ablauf gemäß § 4 Abs. 5 TVG auch für Außenseiter nach. Die Nachwirkung endet ebenfalls entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht bereits mit Abschluss eines Nachfolgetarifvertrages (so aber Löwisch/Rieble Anm. zu AP Nr. 22 zu § 4 TVG Nachwirkung; Löwisch/Rieble, TVG, § 5 Rn. 30), sondern erst mit der Ersetzung der nachwirkenden Tarifnormen mit Wirkung für das jeweilige Arbeitsverhältnis entweder durch einen anderen Tarifvertrag auf Grund beiderseitiger Tarifbindung bzw. Allgemeinverbindlicherklärung oder im Wege der Ersetzung der nachwirkenden Tarifnormen durch eine andere arbeitsvertragliche Abmachung oder eine Betriebsvereinbarung.
Normenkette
TVG §§ 5, 4 Abs. 5; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 24.03.1999; Aktenzeichen 12 Ca 54/98) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 13.01.1999; Aktenzeichen 12 Ca 258/98) |
Tenor
Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Januar 1999 – 12 Ca 258/98 und 24. März 1999 – 12 Ca 54/98 – werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht mit ihren dem Berufungsverfahren zu Grunde liegenden beiden Klagen, die in der Berufungsinstanz zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, tarifliches Urlaubsgeld und tarifliche Sonderzuwendung für 1997 geltend. Dabei streiten die Parteien, die beide nicht tarifgebunden sind, über die Nachwirkung des für allgemeinverbindlich erklärten einschlägigen Manteltarifvertrages.
Die Beklagte betreibt einen Einzelhandel mit Lederwaren und Accessoires mit insgesamt 6 Geschäften, davon 4 in Hamburg und je eines in Wedel und auf Sylt. Die_ Klägerin ist seit dem 1. September 1984 bei der Beklagten als Verkäuferin in Hamburg tätig. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin beträgt 22,5 Stunden.
Bis einschließlich 1996 wurde von der Beklagten auf das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel vom 18. Juni 1993 (im Folgenden: MTV alt) zur Anwendung gebracht. Dieser Tarifvertrag, der durch Erklärung vom 15. Februar 1994 für allgemeinverbindlich erklärt worden war, wurde fristgemäß zum 31. Dezember 1996 gekündigt. In der Folgezeit wurde zwischen den Tarifvertragsparteien einige Zeit nach Ablauf des MTV alt, nämlich am 08. August 1997, ein neuer Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV neu) abgeschlossen, der in § 22 Folgendes regelt:
- „Dieser Manteltarifvertrag tritt mit dem 01. Januar 1998 in Kraft.
- Der Manteltarifvertrag vom 18. Juni 1993 sowie der Tarifvertrag zur Umsetzung des geänderten Ladenschlussgesetzes vom 27. September 1996 treten zum 31. Dezember 1997 außer Kraft.
- Der Tarifvertrag kann von jeder Vertragspartei mit einer Frist von 6 Monaten – frühesten zum 31. Dezember 1999 – gekündigt werden.
- Bis zum Inkrafttreten eines neuen Tarifvertrages gelten die Rechtsnormen des alten Tarifvertrages weiter.
…”
Nach § 11 des MTV alt erhalten die Beschäftigten ein Urlaubsgeld ab dem 01. Januar 1996 in Höhe von 55 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruches des letzten Berufsjahres der Verkäufer/innengruppe (Gehaltstarifvertrag, Gruppe 2a) des jeweils am 01. Januar des Jahres gültigen Vertrages. Gemäß § 12 MTV alt erhalten die Beschäftigten, die am 01. Dezember eines jeden Jahres dem Betrieb/Unternehmen mindestens 12 Monate ununterbrochen angehört haben, eine tarifliche Sonderzuwendung, die ab dem 01. Januar 1996 60 % des jeweils den Anspruchsberechtigten nach ihrer tariflichen Eingruppierung im Auszahlungsmonat zustehenden regelmäßigen Tarifentgelts beträgt. Die Sonderzuwendung muss nach der tariflichen Regelung spätestens am 30. November des laufenden Jahres zur Auszahlung kommen.
Nach dem MTV neu haben die Tarifvertragsparteien das Urlaubsgeld von zuletzt 55 % auf 50 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruchs ermäßigt und die tarifliche Sonderzuwendung von bisher 60 % des Tarifentgelts auf 62,5 % erhöht. Der MTV neu ist bisher nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie könne trotz der zum 31. Dezember 19...