Entscheidungsstichwort (Thema)
Umdeutung einer unwirksamen Betriebsvereinbarung zur Regelung des Arbeitsentgelts in eine Gesamtzusage. Zahlungsklage einer Lageristin auf Entgeltanpassung nach Tariferhöhung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, wonach künftige Tariferhöhungen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehalts führen, ist kein Entlohnungsgrundsatz i.S.v. § 87 I Nr. 10 BetrVG, sondern eine Regelung des Arbeitsentgelts, die regelmäßig im einschlägigen Tarifvertrag der Branche getroffen wird und deshalb in einer Betriebsvereinbarung gemäß § 77 III 3 BetrVG unwirksam ist.
2. Bei der Frage, ob eine unwirksame Betriebsvereinbarung ausnahmsweise in einer Gesamtzusage umgedeutet werden kann, kommen nicht die Grundsätze der objektiven Auslegung zur Anwendung, vielmehr ist auf die subjektive Sicht eines typischen Erklärungsempfängers abzustellen.
Normenkette
BGB § 611; BetrVG § 77 Abs. 3; BGB §§ 140, 151, 242, 611 Abs. 1; BetrVG § 77 Abs. 3 Sätze 1-3, § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 24.06.2016; Aktenzeichen 10 Ca 49/16) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 24.06.2016 (10 Ca 49/16) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird für die Beklagte im Hinblick auf der Entscheidung über Entgelterhöhungen, im Übrigen nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über monatliche Entgelterhöhungen seit August 2015, das Weihnachtsgeld für das Jahr 2015 sowie das Urlaubsgeld 2016.
Die Klägerin steht seit dem 01.02.2002 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Sie ist als Lageristin tätig. Gemäß § 4 des Arbeitsvertrags vom 22.10.2004 (Anl. A2, Bl. 11 - 14 d.A.) hat sie neben ihrem monatlichen Bruttogehalt Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld von jeweils 62,5% vom Gehalt. Die Klägerin bezog zuletzt ein regelmäßiges Bruttomonatseinkommen in Höhe von € 3.068,26. Dieses bestand aus einem Grundgehalt von € 2.766,-, einer Zulage in Höhe von € 102,26 sowie einer weiteren Zulage in Höhe von € 200,- für besondere Verantwortung. Die Höhe des Grundgehalts entspricht der Tarifgruppe G2-6 des Hamburger Einzelhandelstarifvertrags in der bis Juli 2015 geltenden Fassung.
Die Betriebsvereinbarung vom 01.08.1997 (im Folgenden: BV 97) beinhaltet unter anderem auch Regelungen über Gehaltszahlungen und Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. In der Präambel der Betriebsvereinbarung heißt es:
"Präambel:
Ziel der Konzeption einer Betriebsvereinbarung war die Schaffung eines Gehalts- und Arbeitszeitsystems, das für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar, einsehbar und leistungsgerecht ist.
Ferner sollen die gesetzlichen Ladenschlusszeiten des Einzelhandels in gerechte Rahmenbedingungen gefügt werden.
Als Grundlage wurden größtenteils bestehende Vereinbarungen genommen. Der Tarif berücksichtigt die Mindestforderungen des Einzelhandelstarifes in Hamburg soweit nicht andere Vereinbarungen getroffen werden und diese einen individuellen Leistungsausgleich berücksichtigen (Arbeitsvertrag). Eine Überarbeitung findet mindestens zum Zeitpunkt gültiger Tarifverhandlung des Einzelhandels statt.
Die nachstehenden Paragraphen ergänzen die Regelungen des Arbeitsrechtes und gelten als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung).
Jedem G. wird eine Ausfertigung der Vereinbarung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag übergeben.
...
Inhaltsverzeichnis
...
§ 17 Gehaltstarif
Die G.-Gehälter garantieren eine Mindesthöhe über den jeweiligen Hamburger Tarifen
In den Tarifen G0, G1, G2 sind das DM 200,00
In den Tarif G3 sind das DM 300,00
In den Tarifen G4a G4b sind das DM 500,00
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Gehaltserhöhungen:
Zukünftige Tariferhöhungen führen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes.
In den Tarifen G0, G1, G2 sind das DM 200,00
In den Tarif G3 sind das DM 300,00
In den Tarifen G4a G4b sind das DM 500,00
Gehaltsgruppen:
Die Tätigkeitsbereiche der G. werden verschiedenen Gehaltsgruppen zugeordnet. Für die Eingruppierung des G.s kommt es auf die gemäß Arbeitsvertrag vereinbarte und zu verrichtende Tätigkeit an. ...
...
§ 22 Schlussbestimmung
Diese Betriebsvereinbarung tritt ab 1.8.97 in Kraft. Sie ist mit einer Frist von 6 Monaten zum Kalenderjahres, erstmals zum 28.2.98 kündbar."
Vor der BV 97 gab es bereits eine entsprechende Betriebsvereinbarung vom 01.07.1991.
Die Beklagte war bei Abschluss der BV 97 an die Tarifverträge des Hamburger Einzelhandels gebunden. Die Mitgliedschaft der Beklagten im Landesverband des Hamburger Einzelhandels e.V. endete im April 2008.
Die BV 97 wurde von der Beklagten zum 31.12.2014 gekündigt. Mit Schreiben vom 31.07.2015 teilte sie dem Betriebsrat mit, dass die Tarifvertragsparteien eine tarifliche Entgelterhöhung zum 01.08.2015 vereinbart hätten, die Beklagte diese Erhöhung aber nicht weitergeben könne. Aufgrund der äußerst negativen Personalkostensituation und a...