Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag der Arbeitgeberin auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht nach Widerspruch des Betriebsrats gegen verhaltensbedingte Kündigung. Unbegründeter Eilantrag der Arbeitgeberin nach Weiterbeschäftigungsverlangen des Arbeitnehmers und ordnungsgemäß begründetem Widerspruch des Betriebsrats

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Rechtsschutzinteresse für einen Entbindungsantrag gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG ist schon dann gegeben, wenn ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG möglicherweise besteht.

2. Die Entbindungsmöglichkeit nach § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist auf nicht ordnungsgemäß begründete Widersprüche des Betriebsrats entsprechend anzuwenden.

3. Ein Widerspruch gegen eine verhaltensbedingte Kündigung ist ordnungsgemäß begründet, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalls konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich das Fehlverhalten des Arbeitnehmers an den im Widerspruch benannten Arbeitsplätzen nicht wiederholen kann.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 3, 5, 3 Nrn. 3, 5, Abs. 5 Sätze 1, 2 Nr. 3; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 21.02.2014; Aktenzeichen 14 Ga 2/14)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. Februar 2014 - Az. 14 Ga 2/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin begehrt im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens ihre Entbindung von der Pflicht zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsbeklagten. Hintergrund des Verfahrens ist ein Weiterbeschäftigungsverlangen des Klägers, das dieser auf einen Widerspruch des Betriebsrats gegen eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Dezember 2013 zum 28. Februar 2014 stützt.

Der am ... 1953 geborene Verfügungsbeklagte ist seit dem 15. September 2008 bei der Verfügungsklägerin als Mitarbeiter für das Energiemanagement zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.567,48 € beschäftigt.

Die Verfügungsklägerin beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 30 Stunden ohne die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2013 erklärte die Verfügungsklägerin gegenüber dem Verfügungsbeklagten eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2013, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Die Verfügungsklägerin begründete die Kündigung mit Fehlern bei Energiekostenabrechnungen, die nach ihrer Auffassung der Verfügungsbeklagte zu verantworten hatte. Gegen diese Kündigung wehrte sich der Verfügungsbeklagte in einem Kündigungsschutzrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Hamburg zum Aktenzeichen 14 Ca 388/13.

Der Betriebsrat hatte der Kündigung vom 29. Juli 2013 widersprochen. Gestützt auf diesen Widerspruch machte der Verfügungsbeklagte ein Weiterbeschäftigungsverlangen nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG geltend. In einem einstweiligen Verfügungsverfahren zum Az. 14 Ga 5/13 verlangte die Verfügungsklägerin ihre Entbindung von der Pflicht zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsbeklagten. Mit Urteil vom 1. November 2013 lehnte das Arbeitsgericht den Antrag der Verfügungsklägerin ab. Die hiergegen eingelegte Berufung hat die Verfügungsklägerin zwischenzeitlich zurückgenommen.

Mit Urteil vom 13. Dezember 2013 (14 Ca 388/13) gab das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 29. Juli 2013 statt und verurteilte die dortige Beklagte - Verfügungsklägerin des vorliegenden Verfahrens - zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsbeklagten. Hierbei gab das Arbeitsgericht sowohl dem Antrag gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG als auch dem allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag statt (siehe hierzu die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter Ziff. II.3. und II.4. der Entscheidungsgründe des Urteils vom 13. Dezember 2013, Anlage B 1, Bl. 80 ff. d. A.).

Die Verfügungsklägerin hat gegen das Urteil vom 13. Dezember 2013 Berufung eingelegt (Aktenzeichen 6 Sa 4/14). Den Antrag der Verfügungsklägerin, die Zwangsvollstreckung aus den Weiterbeschäftigungstiteln einstweilen einzustellen, hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 26. Februar 2014 zurückgewiesen (siehe hierzu den Beschluss vom 26. Februar 2014 - 6 Sa 4/14 - Anlage B 2, Bl. 98 d. A.).

Unter dem 13. Dezember 2013 leitete die Verfügungsklägerin beim Betriebsrat das Anhörungsverfahren zur beabsichtigten weiteren ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Verfügungsbeklagten zum 28. Februar 2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt schriftlich ein. Das Anhörungsschreiben enthält u.a. folgende Ausführungen:

"...

Im Zuge der Aufarbeitung verschiedener Sachverhalte im Bereich des Energiemanagements im Zusammenhang mit dem anhängigen Gerichtsverfahren mit Herrn F. ist nunmehr eine weitere arbeitsvertragliche Pflichtverletzung von Herrn F. aufgefallen.

Im Rahmen seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten war Herr F. für die Erstellung einer verbindlichen Pre...

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