Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkürzung der Versorgung durch Wechsel vom HRGG zur VBL. Besserstellung durch Versorgungswechsel als Geschäftsgrundlage d. Änd.Vertrags
Leitsatz (amtlich)
1. Gehen beide Vertragsteile irrtümlich von einer Verbesserung der Altersversorgung bei einem Wechsel von einem Versorgungswerk zu einem anderen aus (von HRGG zu VBL), kann ein Fall des Fehlens der Geschäftsgrundlage aufgenommen werden.
2. Der auf Initiative und im Interesse des Arbgeb. einvernehmlich vollzogene Wechsel zu einem anderen Versorgungswerk führt bei fehlerhafter Auskunft (hier falscher Modellrechnung) zum Schadensersatz wenn den Arbeitgeber ein Verschulden trifft. Der Arbgeb. muß die ihm zugänglichen Quellen ausschöpfen. Er haftet für ein Verschulden der Erfüllungsgehilfen.
Normenkette
HRGG/VBL; BGB §§ 242, 249 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 09.02.1999; Aktenzeichen 17 Ca 547/94) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 9. Februar 1999 – 17 Ca 547/94 – wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den monatlichen Differenzbetrag zwischen der tatsächlich gewährten Versorgungsrente (VBL) und dem sich jeweils ergebenden Ruhegeld nach dem Hamburgischen Ruhegeldgesetz in seiner jeweiligen Fassung seit dem 1. September 1995 zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger den finanziellen Nachteil auszugleichen hat, der ihm durch den Wechsel von der Altersversorgung nach dem Hamburgischen Ruhegeldgesetz (HRGG) zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) entstanden ist.
Die Beklagte, ein in privater Rechtsform betriebenes Unternehmen der Freien und Hansestadt Hamburg, befaßt sich mit der überbetrieblichen beruflichen Qualifizierung vor allem junger Menschen mit ungenügenden Schulabschlüssen.
Der im August 1932 geborene Kläger, der von Beruf Malermeister ist, war im Zeitraum von Juli 1981 bis Ende August 1995 bei der Beklagten als Ausbilder im Bereich Malerhandwerk tätig. Seit September 1995, mithin seit seinem 63. Lebensjahr, bezieht der Kläger Altersrente von der BfA sowie eine Zusatzversorgung von der VBL.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien war der MTV Angestellte anwendbar. Für die bei der Beklagten beschäftigten Angestellten gelten tarifliche Sonderregelungen. In der Sonderregelung Nr. 1 (zu § 46 – Zusätzliche Alters- und Hinterbliebenen Versorgung) heißt es (Bl. 7):
„(1) Für die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Angestellten gilt anstelle des § 46 der Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (Versorgungstarifvertrag) vom 4. November 1966 in seiner jeweils geltenden Fassung.
(2) Für Angestellte, deren Arbeitsverhältnis zur Berufsbildungswerk Hamburg GmbH am 31. März 1984 bestanden und am 1. April 1984 fortbestanden hat und denen eine Zusatzversorgung in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg (Ruhegeldgesetz) zugesagt worden ist, gilt weiterhin § 46, sofern diese Angestellten nicht bis zum 31. Dezember 1984 durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber die Zusatzversorgung nach Absatz 1 gewählt haben. (…)”
Dem Kläger war bei seiner Einstellung eine tarifliche Versorgungszusage analog dem HRGG erteilt worden. Durch schriftliche Erklärung vom 29. März 1984 (Bl. 8) wählte er die „Zusatzversorgung im Rahmen einer Versicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder”. Bereits im März 1983 hatte die Beklagte die bei ihr Beschäftigten darüber informiert, daß ihr Geschäftsführer durch Beschluß des Aufsichtsrats beauftragt worden sei, die Beteiligung an der VBL zu prüfen, und zwar wegen der Zugehörigkeit zu einer größeren Versicherten-Gemeinschaft bei gleichzeitiger Beachtung der Kostenrelation; oberstes Gebot bleibe in jedem Fall, daß kein Beschäftigter schlechter gestellt werde als bisher. Außerdem teilte die Beklagte mit, sie brauche zusätzliche Informationen, wobei es jedem einzelnen überlasse bleibe, die benötigten Angaben zu machen. Im letzten Absatz dieses Informationsschreibens (Bl. 11–12) heißt es:
„Bei der in Ihre Entscheidung gestellten Frage, ob Sie uns die erbetenen Angaben machen, sollten Sie bedenken, daß wir diese nur erbitten, um sicher zu stellen, daß die bisher aus der Beschäftigung beim BBW Hamburg (d. i. die Beklagte) erworbenen Ansprüche, einschließlich evtl. anzuerkennender Vorzeiten, nicht verloren gehen.”
Die Beklagte legte dem Kläger im weiteren Verlauf eine auf seinen persönlichen Daten beruhende Modellrechnung nach dem Stand von 1983 vor. Daraus ergab sich, daß der Kläger bei einem Rentenbeginn mit dem 65. Lebensjahr nach dem...