Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung nach Unternehmensentscheidung. Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs. „einheitlicher Vorgang” im Sinne eines Betriebsübergangs bei Zergliederung und „Atomisierung” im Konzern. Begriff der wirtschaftlichen Einheit
Leitsatz (redaktionell)
Ein Betriebsübergang i.S.v. § 613a Abs. 1 BGB setzt voraus, dass es um den Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit geht, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Es muss eine wirtschaftliche Einheit übergegangen sein, um von einem Betriebsübergang sprechen zu können. Eine Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Ihre Identität ergibt sich aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 4; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, Abs. 3; BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 19.06.2001; Aktenzeichen 1 Ca 2/01) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Juni 2001 – 1 Ca 2/01 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Der im Juni 1947 geborene, heute 54 Jahre alte verheiratete Kläger ist seit 1964 bei der Beklagten zu 1) beschäftigt gewesen, seit 1991 als Verkaufsleiter gegen ein Monatsgehalt von zuletzt DM 12.200,–. Auf den Arbeitsvertrag vom 28. Mai 1991 und den Änderungsvertrag vom 24. Oktober 1997 wird verwiesen (Bl. 18–25 und Bl. 28 d.A.).
Bis 1998 betrieb die Beklagte zu 1) 152 Verbrauchermärkte, von denen der Kläger 76 zu betreuen hatte, während der weitere Verkaufsleiter, … die andere Hälfte betreute. Zuletzt wurde der Bereich in einen Außendienst und einen Innendienst aufgeteilt, was dazu führte, daß der Kläger Verkaufsleiter Innendienst wurde bzw. werden sollte.
Am 1. Februar 1998 wurde Beklagte zu 1) … von der … übernommen. Wegen der nunmehr geplanten und umgesetzten Umstrukturierungen kam es am 12. Mai 1998 zu einem Interessenausgleich und Sozialplan (Anlage B 3 = Bl. 48–60 d. A.). Danach stünde dem Kläger eine Sozialplanabfindung in Höhe von DM 135.000,– zu. Die Abfindung kam nach Verkündung des Urteils erster Instanz im vorliegenden Verfahren an den Kläger bereits zur Auszahlung.
In der zweiten Jahreshälfte 1998 wurden 25 Filialen in die Vertriebsschiene der Beklagten zu 2), einer Einzelhandelstochter der … überführt. Verkauf und Übergang nach § 613 a BGB erfolgten erst zum Juni 2000. Die … ist ein Großhandelsunternehmen, dem rd. 4000 selbständige Einzelhändler mit Lieferverträgen und einheitlicher Werbung unter dem Logo … und … verbunden sind.
Zum 1. August 1998 gingen Teile der Verwaltung der Beklagten zu 1) (darunter die Personalabteilung) auf die Konzernobergesellschaft, die … über. Man begann sogleich damit, die übrigen Filialen der Beklagten zu 1) an selbständige sog …-Einzelhändler (…) zu verkaufen bzw. stillzulegen. Der Planungsstand war Ende 1999 der, daß diese Maßnahmen noch in 2000 abgeschlossen werden sollten. Statt der schließlich für Ende 2000 kalkulierten rund 10 Verbrauchermärkte existierten unter der Regie der Beklagten zu 1) zu diesem Zeitpunkt noch 20.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2000 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist (von 12 Monaten jeweils zum Jahresende) zum 31. Dezember 2001.
Der weitere Verkaufsleiter, … schied aufgrund betriebsbedingter Kündigung bereits ein Jahr früher, nämlich zum Jahresende 2000 bei der Beklagten zu 1) aus. Er bewarb sich nach seiner Kündigung bei der Konzernobergesellschaft und ist dort als Teamleiter im Vertrieb für den Bereich … zuständig (Bl. 135 d. A.).
Der Kläger macht mit seiner Klage die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend. Er hält die Kündigung im übrigen auch nach § 613 a Abs. 4 BGB für rechtsunwirksam, weil es sich seiner Auffassung nach bei der Integration der Verbrauchermärkte in den … Bereich um einen Betriebsübergang gehandelt hat. Er hat dazu vorgetragen:
Während die von ihm jahrelang betreuten großen Märkte mit entsprechend hohen Umsatzzahlen von der Beklagten zu 2) übernommen worden seien (was unstreitig ist), sei sein Arbeitsverhältnis zusammen mit der Verwaltung der Beklagten zu 1) auf die Konzernobergesellschaft, die … übergegangen. Indem die Beklagte zu 1) den einzelnen Bezirksleitern zunächst gekündigt habe, um sie dann nach Ablauf der Kündigungsfrist bei … wieder einzustellen, habe sie allerdings versucht, den Eindruck eines Betriebsübergangs zu vermeiden. Diese Strategi...