Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksame Abkürzung von Kündigungsfristen durch den Rahmentarifvertrag für die technischen Angestellten in den Stückgut-Kaibetrieben

 

Leitsatz (amtlich)

§ 15 Ziff. 1 des Rahmentarifvertrags für die technischen Angestellten in den Stückgut-Kaibetrieben in der Fassung vom 06. Mai 2003, wonach bei der Anwendung von Sozialplänen die Kündigungsfrist einheitlich einen Monat zum Monatsende beträgt, ist rechtswirksam. Die Tarifnorm ist hinreichend bestimmt. Sie verstößt weder gegen § 622 Abs. 4 S. 1 BGB noch gegen §§ 1, 7 Abs. 2 AGG noch gegen das verfassungsrechtliche Untermaßverbot (Art. 12 Abs. 1 GG). Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht gegeben (im Anschluss an BAG, Urteil vom 18. September 2003, 2 AZR 537/02).

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; BGB § 622 Abs. 4 S. 1; AGG §§ 1, 7 Abs. 2; RTV § 15 Nr. 1 Abs. 1-3

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 12.07.2017; Aktenzeichen 27 Ca 525/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.10.2019; Aktenzeichen 2 AZR 262/18)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 12. Juli 2017 - 27 Ca 525/16 - wird als unzulässig verworfen, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 24. November 2016 nicht beendet worden ist.

Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 24. November 2016 nicht zum 31. Dezember 2016, sondern erst zum 31. Dezember 2017 beendet worden ist, wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Soweit die Berufung als unzulässig verworfen wurde, wird die Revision nicht zugelassen.

Soweit die Berufung zurückgewiesen wurde, wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und einer tarifvertraglichen Kündigungsfrist.

Die Beklagte war bis zum 31. Dezember 2016 Betreiberin eines Hafenterminals im Bereich Containerumschlag, Massengutumschlag, Projekt und Stückgutverladung und RO/RO Verladung auf dem Gelände "A.". Sie beschäftigte circa 60 Arbeitnehmer. Im Betrieb bestand ein Betriebsrat.

Der am ... 1953 geborene, verheiratete Kläger steht bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern seit dem 01. April 1974 als technischer Angestellter/Lademeister in einem Arbeitsverhältnis. Seine regelmäßige Monatsvergütung beträgt 6.873,00 € brutto. Grundlage des Anstellungsvertrages ist ein am 17. Dezember 1980 zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossener Arbeitsvertrag (Anlage K 1, Bl. 9 bis 11 d.A.), auf dessen Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird. Der Kläger gehört zum Kreis der schwerbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von 60.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Rahmentarifvertrag für die technischen Angestellten in den Stückgut-Kaibetrieben (im Folgenden: RTV) Anwendung. Der RTV enthält in seiner Fassung vom 06. Mai 2003 hinsichtlich der Kündigungsfristen unter § 15 die folgenden Regelungen:

"1. Für die Kündigung gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.

Bei 15jährigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses beträgt die beiderseitige Kündigungsfrist neun Monate zum Ende eines Kalenderhalbjahres, wenn der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet hat.

Soweit Sozialpläne abgeschlossen wurden, beträgt die Kündigungsfrist einen Monat zum Monatsende.

2. (...)"

Der Mietvertrag über das Betriebsgelände der Beklagten "A." war im Jahr 2012 auf den 31. Dezember 2016 befristet worden. Ende 2015 stellte sich heraus, dass weder eine Laufzeitverlängerung erreicht noch eine Ersatzfläche gefunden werden kann. Vor diesem Hintergrund traf die Beklagte mit Gesellschafterbeschluss vom 19. Februar 2016 die unternehmerische Entscheidung, das Hafenterminal, das ihr einziger operativer Betrieb ist, zum 31. Dezember 2016 zu schließen und allen Mitarbeitern zu kündigen.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2016 (Anlage B 7, Bl. 120 bis 128 d.A.) unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über eine geplante Massenentlassung im Hinblick auf die geplante Einstellung des Terminalbetriebs zum 31. Dezember 2016. Das Schreiben ging dem Betriebsrat am 13. Mai 2016 zu.

In der Folgezeit führten die Betriebsparteien Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans und berieten über Möglichkeiten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken. In der Einigungsstellensitzung am 14. September 2016 erklärte die Einigungsstelle ausweislich der Sitzungsniederschrift (Anlage B 2, Bl. 84 bis 97 d.A.) das Scheitern der Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs. Am selben Tag kam in der Einigungsstelle durch Spruch gegen die Stimmen des Betriebsrats ein Sozialplan

"zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile in Folge der von B. beschlossenen Betriebsstillegung zum 31.12.2016 (spätester letzter operativer Tag des Umschlaggeschäfts) unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (nachfolgend Mita...

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