Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Betriebsvereinbarung. Auslegung einer Leistungsordnung zur betrieblichen Altersversorgung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Auslegung einer (Konzern-/Gesamt-)Betriebsvereinbarung richtet sich wegen ihrer normativen Wirkung nach den Grundsätzen der Tarifvertrags- und Gesetzesauslegung. Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn ermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang, die Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung an. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben.

2. Zählt eine Leistungsordnung zur betrieblichen Altersversorgung alle Entgeltbestandteile auf, die zur Berechnung des ruhegeldfähigen Einkommens herangezogen werden können, kann im Wege der Auslegung geklärt werden, ob eine später im Betrieb geschaffene Zulage ("VAZ") zu diesen ruhegeldfähigen Entgeltbestandteilen zählt oder nicht. Ist die neue Zulage mit einer der in der Leistungsordnung genannten Zulagen nach den Grundsätzen der Auslegung vergleichbar und von Sinn und Zweck der beabsichtigten Altersversorgung erfasst, kann sie zu den ruhegelfähigen Entgeltbestandteilen gezählt werden.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 01.10.2019; Aktenzeichen 21 Ca 2/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.01.2022; Aktenzeichen 3 AZR 345/21)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 1. Oktober 2019 - 21 Ca 2/19 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 897,55 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

auf einen Betrag in Höhe von 179,51 Euro seit dem 1. September 2015,

auf weitere 179,51 Euro seit dem 1. Oktober 2015,

auf weitere 179,51 Euro seit dem 1. November 2015,

auf weitere 179,51 Euro seit dem 1. Dezember 2015 und

auf weitere 179,51 Euro seit dem 1. Januar 2016

zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 1. Oktober 2019 - 21 Ca 2/19 - zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu 35 % zu tragen, die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu 65 % zu tragen.

Die Revision wird nur für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des an den Kläger für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2015 zu zahlenden monatlichen Ruhegeldes, insbesondere über die Ruhegeldfähigkeit einer variablen Zulage.

Der 1953 geborene Kläger war vom 1. Dezember 1985 bis zum 31. Juli 2015 zunächst bei der B., später aufgrund eines Teilbetriebsübergangs auf die Beklagte bei dieser als Systementwickler beschäftigt. Zunächst erhielt er neben dem Tarifentgelt vertragsgemäß eine übertarifliche Zulage sowie weitere Leistungen, insbesondere eine nicht leistungsabhängige Jahressonderzahlung. Zudem erhielt er Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen nach den dafür geltenden tariflichen Bestimmungen und betrieblichen Regelungen. Zuletzt war der Kläger als außertariflich vergüteter Arbeitnehmer tätig.

Der Kläger arbeitete überwiegend in Vollzeit, zeitweise aber auch in Teilzeit. Hinsichtlich der Daten und des Umfangs der Teilzeittätigkeit wird auf die Aufstellung der Beklagten in ihrer Berechnung des Teilzeitfaktors (Bl. 84 d. A.) Bezug genommen. Auf Grundlage des Altersteilzeitvertrages der Parteien vom 28. November 2006 (Anlage K 1, Bl. 32 ff. d. A.) war der Kläger in der Zeit vom 1. August 2009 bis zu seinem Ausscheiden zum 31. Juli 2015 in Altersteilzeit (Blockmodell) für die Beklagte tätig mit der Hälfte der bisher vereinbarten Arbeitszeit, also im Umfang von 19,5 Wochenstunden. Ergänzend wird auf den Inhalt der Altersteilzeitvereinbarung der Parteien vom 28. November 2006 (Anlage K 1, Bl. 32 ff. d. A.) Bezug genommen. Das Arbeitsverhältnis endete - wie in der Altersteilzeitvereinbarung vorgesehen - mit Renteneintritt mit Ablauf des 31. Juli 2015.

Unter dem 22. Dezember 1988 vereinbarten die B. und weitere zum B.-Konzern gehörende Unternehmen mit dem Konzernbetriebsrat die "Betriebsvereinbarung TROMA/Leistungsordnung für die betriebliche Altersversorgung der Mitarbeiter von B." (im Folgenden: Leistungsordnung, Anlage K 3, Bl. 40 ff d. A.). Diese lautet auszugsweise wie folgt:

"5. Einkommensermittlung

1. Als ruhegeldfähiges Einkommen gilt der Durchschnitt des vertraglich oder tarifvertraglich vereinbarten monatlichen Bruttogehaltes oder Bruttoentgeltes, das der Mitarbeiter vom Unternehmen in den letzten 36 Monaten vor Eintritt des Versorgungsfalles bzw. vor seinem vorzeitigen Ausscheiden bezogen hat. Zum ruhegeldfähigen Einkommen zählen Provisionen, Prämien, Überstunden- und Akkordvergütungen, Treuegelder sowie Leistungs-, persönliche und tarifvertraglich festgelegten Zulagen und Zuschläge.

2. Nicht zum ruhegeldfähigen Einkommen gehören z.B. Jahressonderzahlungen oder 13. Monatsgehalt, Weihnachtsgeld, Kinderurlaubsgeld, Urlaubsge...

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