Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmensspaltung und Betriebsübergang. Bildung eigenständiger Betriebe durch Zerschlagung eines einheitlichen Betriebs nach Arbeitsprozessen vor deren Übertragung auf neu geschaffene Rechtsträger im Wege der Unternehmensaufspaltung. Unbegründete Feststellungsklage auf Bestand eines Arbeitsverhältnisses bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitnehmerin zur Übernahme einer strukturierten Gesamtheit von Beschäftigten und gegen ihre Betriebszuordnung durch einen Interessenausgleich mit Namensliste
Leitsatz (amtlich)
Die Wirksamkeit einer Aufspaltung gemäß § 124 UmwG hängt nicht davon ab, dass sie sich auf Betriebe oder Betriebsteile bezieht.
Bei einem einheitlichen Betrieb ohne Betriebsteile ist eine Aufspaltung nach Geschäftsprozessen, die sich daran orientiert, welche davon der Arbeitgeber weiterhin in einem Betrieb durch eigenes Personal erledigen will und welche er künftige durch Fremdfirmen erledigen lassen möchte, nach gegenwärtiger Rechtslage nicht unzulässig.
Normenkette
BGB § 613a; UmwG § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 323 Abs. 2, § 324; BGB § 613a Abs. 1; BetrVG § 111 S. 3 Nr. 3, § 112 Abs. 1 S. 1; UmwG § 123
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 29.06.2016; Aktenzeichen 8 Ca 77/15) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 29.06.2016 (8 Ca 77/15) wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht und die Beklagte die Klägerin weiterbeschäftigen muss.
Die Klägerin ist seit dem 01.07.1986 bei der Firma L1 GmbH mit Sitz in N. (im Folgenden: L1) bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig gewesen. Die L1 war auf Verfahren und Prozesse zur systematischen Analyse von Daten in elektronischer Form im Bereich der Abrechnungen im Luftverkehr spezialisiert. Hierzu bot sie Produkte und Lösungen im Bereich Revenue Accounting an und vermarktete diese. Zuletzt waren bei der L1 ca. 300 Mitarbeiter beschäftigt. Hauptauftraggeberin der L1 war deren Muttergesellschaft, die L. AG.
Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der L2 GmbH und Teil des L.-Konzerns. Sie beschäftigt derzeit ca. 120 Mitarbeiter.
Bis zum 30.10.2014 war die Klägerin dem Team H. zugeordnet und als Sachbearbeiterin (Jobgruppe Professional) mit einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von € 1.900,- tätig. Die zuletzt von der Klägerin ausgeführten Tätigkeiten ergeben sich aus dem Zwischenzeugnis der L1 vom 28.01.2014 (Anl. K 2, Bl. 36ff. d.A.).
Die L. AG beschloss zur Restrukturierung und Kostensenkung das konzernweite Programm "S.". Teil dieses Restrukturierungsprogramms ist auch das Projekt "G.". Inhalt dieses Projekts ist u.a. die Verteilung der bislang von der L1 ausgeführten Aufträge an Dritte, konzernangehörige und konzernfremde Gesellschaften im Ausland sowie an eine konzernangehörige Gesellschaft im Inland. Da damit keine Aufträge mehr bei der L1 verbleiben, wurde außerdem die Spaltung der L1 und deren Aufteilung in zwei Gesellschaften, der "L1 neu" sowie der "L2 Hamburg" beschlossen. Eine Zuweisung der Aufgaben sollte danach vorgenommen werden, welche Aufgaben in Deutschland verbleiben bzw. ins Ausland migriert werden. Diejenigen Aufträge und Prozesse, die weiterhin in Deutschland ausgeführt werden sollten, wurden der L2 Hamburg, der heutigen Beklagten, zugeschrieben. Die nicht der Beklagten zugeschriebenen Prozesse sollten der L1 neu, jetzt der L3 N. GmbH (im Folgenden: L3) zugeordnet werden. Hierbei handelt es sich um solche Aufgaben, die ins Ausland vergeben werden sollten.
Die Betriebsparteien der L1 schlossen in Umsetzung des Restrukturierungsprogramms unter dem 08.10.2013 zunächst einen Interessenausgleich mit Namensliste. Die L1 informierte die Klägerin sodann mit Schreiben vom 21.10.2013 (Anlage K 4 = Bl. 54 d.A.) von der bevorstehenden Betriebsänderung und teilte ihr mit, dass sie der "L1 neu'" zugeordnet worden sei.
Unter dem 06.03.2014 schlossen die Betriebsparteien der L1 einen weiteren gegenüber dem Interessenausgleich vom 08.10.2013 weitgehend inhaltsgleichen Interessenausgleich mit fest verbundener Namensliste (Anl. K 3 = Bl. 38ff. d.A.), dessen Inhalt auszugsweise wie folgt lautet:
"B. Gegenstand der Betriebsänderung
(1) Im Zuge der Aufspaltung des Unternehmens L1 wird auch der Betrieb N. gespalten und die dort beschäftigten Mitarbeiter auf die "L1 neu" und "L2 Hamburg" aufgeteilt. Die Spaltung des Betriebes wird mit Wirkung zum 01.01.2015 durchgeführt.
(2) Die "L2 Hamburg" wird ihren Betrieb in Hamburg, voraussichtlich auf der L. Basis Hamburg, aufnehmen und dort die sich aus der Anlage 1 ergebenden Bereiche bis zum 31.12.2018 fortführen.
(3) Die "L1 neu" wird am Standort N. ihren Betrieb aufnehmen. Dieser Betrieb wird bis zum 31.12.2019 aufrechterhalten. Zum 31.12.2019 wird der Betrieb vollständig geschlossen, es sei denn, es befinden sich zu einem früheren Zeitpunkt keine Mitarbeiter mehr in einem Beschäftigungsverhält...