Entscheidungsstichwort (Thema)

Schriftform einer Betriebsvereinbarung. Bezugnahme auf andere Schriftstücke

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Schriftformerfordernis für Betriebsvereinbarungen kann auch durch Bezugnahme auf andere Schriftstücke gewahrt werden.

2. Bei der Bezugnahme auf ein anderes Schriftstück in einer Betriebsvereinbarung ist das Schriftformerfordernis gewahrt, wenn für die Normadressaten eindeutig erkennbar ist, auf welche Regelung Bezug genommen wird. Das in Bezug genommene Dokument selbst muss nicht dem Schriftformerfordernis gemäß § 126 BGB entsprechen.

3. Zur Auslegung einer Betriebsvereinbarung können Dokumente herangezogen werden, welche den übereinstimmenden Willen der Betriebspartner im Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung zum Ausdruck bringen.

4. Neuer Tatsachenvortrag, welcher entgegen einer im erstinstanzlichen Verfahren hierfür gesetzten Frist nicht rechtzeitig vorgetragen worden ist, ist zu berücksichtigen, wenn er im Berufungsrechtszug unstreitig ist und deshalb den Rechtsstreit nicht verzögern kann.

 

Normenkette

BGB § 126; BetrVG § 77 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 05.02.2003; Aktenzeichen 23 Ca 379/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 5. 2. 2003 (Az.: 23 Ca 379/01) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.277, 33,– brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB auf EUR 67,89 seit dem 1. 2. 2001, EUR 135,77 seit dem 1. 3. 2001, EUR 203,66 seit dem 1. 4. 2001, EUR 271, 54 seit dem 1. 5. 2001, EUR 318,98 seit dem 1. 6. 2001, EUR 366,41 seit dem 1. 7. 2001, EUR 413,84 seit dem 1. 8. 2001, EUR 461,27 seit dem 1. 9. 2001, EUR 508,71 seit dem 1. 10. 2001, EUR 556,14 seit dem 1. 11. 2001, EUR 603,57 seit dem 1. 12. 2001, EUR 651,00 seit dem 1. 1. 2002, EUR 698,44 seit dem 1. 2. 2002, EUR 745,87 seit dem 1. 3. 2002, EUR 793,30 seit dem 1. 4. 2002, EUR 840,73 seit dem 1. 5. 2002, EUR 888,17 seit dem 1. 6. 2002, EUR 920,60 seit dem 1. 7. 2002, EUR 953,03 seit dem 1. 8. 2002, EUR 985,46 seit dem 1. 9. 2002, EUR 1.017,89 seit dem 1. 10. 2002, EUR 1.050,32 seit dem 1. 11. 2002, EUR 1.082,75 seit dem 1. 12. 2002, EUR 1.115,18 seit dem 1. 1. 2003, EUR 1.147,61 seit dem 1. 2. 2003, EUR 1.180,04 seit dem 1. 3. 2003, EUR 1.212,47 seit dem 1. 4. 2003, EUR 1.244,90 seit dem 1. 5. 2003 und EUR 1.277,33 seit dem 1. 6. 2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Ausgleichsanspruch aus einer betrieblichen Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung.

Der Kläger ist seit mehr als 13 Jahren bei der Beklagten als Monteur beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie für Berlin, Brandenburg, Niedersachsen und Bayern, nicht jedoch für Hamburg und Schleswig-Holstein. Die einschlägigen Tarifverträge für die Metallindustrie finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien jedoch kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme Anwendung. Das Gehalt des Klägers richtet sich nach der Gruppe 8 des Gehaltstarifvertrages. Der monatliche Grundlohn nach dieser Tarifgruppe betrug im September 1997 DM 3.523,–; ab April 1998 DM 3.612,–; ab Januar 1999 DM 3.728,–; ab März 2000 DM 3.840,–; ab Mai 2001 DM 3.920,– = EUR 2.004,26 und ab Juni 2002 EUR 2.034, 26.

Bis September 1997 erhielten die Monteure neben dem tariflichen Grundlohn eine Prämie von 25 % auf den Prämienausgangslohn. Als Prämienausgangslohn wurden 125 % des tariflichen Grundlohns in Ansatz gebracht. Darüber hinaus erhielten die Monteure eine Zulage in Abhängigkeit von der in den vorangegangenen 12 Monaten erzielten Durchschnittsprämie. Die für einen Teil der Beschäftigten festgelegte Höchstgrenze für diese Prämie von 10, 4 % galt für den Neubaubereich, in dem der Kläger tätig war, nicht.

Am 29. 9. 1997 wurde im Betrieb der Beklagten eine Betriebsvereinbarung (i. F.: BV) „Beschäftigungssicherung und Kostensenkung” (Anl. A 1 = Bl. 6ff d. A.) vereinbart. Darin wurde die Prämienentlohnung neu, im Vergleich zu der bis dahin geltenden Regelung für die Arbeitnehmer ungünstiger geregelt. Die Beklagte verpflichtete sich in Ziffer 3 der BV, bis zum 31. 12. 1999 auf betriebsbedingte Kündigungen von Monteuren zu verzichten. Durch eine weitere Betriebsvereinbarung vom 27. 1. 2000 (Anl. A 2, Bl. 10 d. A.) wurde diese Verpflichtung bis zum 31. 12. 2000 verlängert.

Ziffer 4 der BV vom 29. 9. 1997 lautet:

„Wenn und sofern die Beschäftigungssicherung nach Ziffer 3 ausläuft, wird für die dann betroffenen Mitarbeiter – in den in Anlage 1 mit ABL gekennzeichneten Betrieben – eine Übergangsregelung gemäß dem O.-Vorschlag vom 7. August 1996 in Kraft gesetzt. Die Basis für die Lohnsicherung ist der jeweilige Stand vom 30. 9. 1997.”

Nachdem zwischen den Parteien zunächst streitig war, welche Übergangsregelung unter der Bezeichnung „O.-Vorschlag vom 7. August 1996” in Ziffer 4 der BV gemeint war, i...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge