Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrentenanpassung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit Anpassungsvorbehalt. Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den finanziellen Gründen ihrer Anpassungsentscheidung und Missachtung der Verteilungsgrundsätze

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist in einer Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen, dass der Vorstand von einer für den Regelfall vorgesehenen Erhöhung der Betriebsrente entsprechend der Steigerung der gesetzlichen Altersrente absehen kann, wenn er eine solche Steigerung für nicht vertretbar hält, kann dieser Vorbehalt nur in Anspruch genommen werden, wenn auf das Unternehmen bezogene wirtschaftliche Gründe der Bereitstellung der finanziellen Mittel für die regelhaft vorgesehene Betriebsrentenerhöhung entgegenstehen.

2. Ist nach der Gesamtbetriebsvereinbarung die Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge vorgesehen, so verstößt die Entscheidung des Vorstands, nur einen Bestandteil der Gesamtversorgungsbezüge zu erhöhen, gegen die Gesamtbetriebsvereinbarung, weil sie die dort geregelten Verteilungsgrundsätze missachtet.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; BetrAVG § 16; BetrVG § 77; BGB § 315; ZPO § 258

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 29.03.2017; Aktenzeichen 3 Ca 9/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.07.2019; Aktenzeichen 3 AZR 88/18)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 29. März 2017 - Az. 3 Ca 9/17 - wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 29. März 2017 - Az. 3 Ca 9/17 - abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei beginnend mit dem 01. September 2016 bis zum 30. Juni 2017 über den Betrag von Euro 3.349,92 hinaus jeweils zum 1. eines Monats einen Betrag in Höhe von Euro 142,21 brutto zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei beginnend mit dem 01. Juli 2017 über den Betrag von Euro 3.413,73 hinaus jeweils zum 1. eines Monats einen Betrag in Höhe von Euro 144,92 brutto zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 1.706,52 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszins auf einen Betrag in Höhe von € 142,21 seit dem 02. Juli 2016, auf € 142,21 seit dem 02. August 2016, auf € 142,21 seit dem 02. September 2016, auf € 142,21 seit dem 02. Oktober 2016, auf € 142,21 seit dem 02. November 2016, auf € 142,21 seit dem 02. Dezember 2016, auf € 142,21 seit dem 02. Januar 2017, auf € 142,21 seit dem 02. Februar 2017, auf € 142,21 seit dem 02. März 2017, auf € 142,21 seit dem 02. April 2017, auf € 142,21 seit dem 02. Mai 2017 und auf € 142,21 seit dem 02. Juni 2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die klagende Partei verlangt eine höhere Anpassung ihrer betrieblichen Versorgungsleistungen für die Jahre 2016 und 2017.

Zwischen den Parteien ist ein weiterer Rechtsstreit anhängig, der die betrieblichen Versorgungsleistungen für das Jahr 2015 betrifft (Az. des arbeitsgerichtlichen Verfahrens: 3 Ca 178/16; Az. des landesarbeitsgerichtlichen Verfahrens: 6 Sa 11/17).

Die klagende Partei war vom 1. April 1979 bis zum 31. August 2007 bei einem Unternehmen des B.-Konzerns tätig, dessen Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Die Beklagte ist als Versicherungsunternehmen in den deutschen A.-Konzern eingebunden. Die klagende Partei bezieht seit dem 1. September 2007 betriebliche Versorgungsleistungen.

Die B. errichtete in den 60ger Jahren des letzten Jahrhunderts eine betriebliche Altersversorgung, die als "Betriebliches Versorgungswerk" (kurz: BVW) bezeichnet wird. Die klagende Partei gehört zu den daraus berechtigten Personen.

Unter dem 8. Juli 1987 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die B. D. L. AG die Betriebsvereinbarung "Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes". Diese Betriebsvereinbarung gliedert sich in Grundbestimmungen, Ausführungsbestimmungen und Übergangsbestimmungen.

Nach der Betriebsvereinbarung sind den anspruchsberechtigten Betriebsangehörigen "Gesamtversorgungsbezüge" zu gewähren, deren Höhe unter Zugrundelegung des pensionsfähigen Arbeitsentgelts (§ 2 der Ausführungsbestimmungen, im Folgenden: AusfBest BVW) und der anrechnungsfähigen Dienstzeit (§ 3 AusfBestBVW) zu errechnen ist (vgl. § 4 AusfBest BVW). Die Gesamtversorgungsbezüge setzen sich zusammen aus der Sozialversicherungsrente, einer weiteren Betriebsrente aus einer Versorgungskasse der B. VVaG (im Folgenden: V1-Altersrente) und einer Pensionsergänzungszahlung (siehe § 5 AusfBestBVW). Um die Höhe der Pensionsergänzungszahlung zu ermitteln, ist zunächst die Summe der gesetzlichen Rente und der V1 Altersrente zu bilden. Diese Summe ist von den ermittelten Gesamtversorgungsbezügen in Abzug zu bringen. Der sich ergebende Differenzbetrag ist als Pensionsergänzung an die Betriebsrentner zu za...

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