Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung des gesetzlichen Rentenrechts während des Vorruhestands. Fortfall der Geschäftsgrundlage bei Rentenminderung im Fall vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente
Leitsatz (amtlich)
1. Kein Fortfall der Geschäftsgrundlage und daher auch keine Anpassung an die veränderten Umstände, wenn Arbeitnehmer bei seiner Entscheidung für den Vorruhestand vom Fortbestand der Rechtslage im Rentenrecht ausgegangen ist.
2. Eine ergänzende Vertragsauslegung (hier: der zugrunde liegenden Betriebsvereinbarung) kommt nicht in Betracht, wenn Indizien dafür sprechen, daß keine planwidrige Vertragslücke vorliegt.
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 19.02.1999; Aktenzeichen 11 Ca 242/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Februar 1999 – 11 Ca 242/97 – dahin abgeändert, daß de Klage abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger die durch Änderung des Rentenrechts eingetretene Minderung seiner Rente (teilweise) auszugleichen hat und ob dazu unter dem Gesichtspunkt des Fortfalls der Geschäftsgrundlage sogar die Wiedereinstellung des Klägers gehört.
Der am 12. November 1941 geborene Kläger ist bei der beklagten Schiffswerft nach einer Beschäftigungszeit von (aufgerundet) 19 Jahren durch betriebsbedingte Kündigung am 31. Oktober 1997 als Bereichsabteilungsleiter in der Abteilung Wareneingangsprüfung und Fertigungskontrolle ausgeschieden. Die Kündigung erfolgte im Rahmen eines generellen Personalabbaus bereits über zwei Jahre zuvor mit Schreiben vom 30. Juni 1995 (Bl. 17 – 18 d. A.).
Die Kündigung hat der Kläger (zunächst) im Hinblick auf die 90%-Regelung in der Betriebsvereinbarung 238/1 hingenommen. Diese Regelung besagt, daß Arbeitnehmer der Beklagten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, maximal für 60 Monate, jedoch längstens bis zum 63. Lebensjahr, von der Beklagten einen Zuschuß bis zu 90% ihres letzten Nettogehalts erhalten. Dieses monatlich zu zahlende Ausgleichsgeld konnte man sich auch vorab in einer Summe auszahlen lassen. Von dieser Möglichkeit machte der Kläger keinen Gebrauch.
Unter der Überschrift „Vorläufige Berechnungsgrundlage für ein Abfindungsangebot der … erhielt der Kläger mit Datum vom 26. Juni 1995 einen Berechnungsbogen, der das für September 1997 angenommene Bruttogehalt, das entsprechende Nettogehalt und die sich hieraus ergebenden 90% ausweist (DM 4.526,75) sowie einen Abindungsbetrag gemäß Sozialplan von DM 13.430,–. Dieser Abfindungsbetrag enthält einen Ausgleich von DM 1.9000, – für die Minderung der betrieblichen Altersrente (Bl. 12 d. A.). Nach einer „vorläufigen Berechnung der Gesamtkosten” vom 25. Juni 1997 (Bl. 19 d. A.) machen die 90% des Nettogehalts nur noch DM 4.386,86 aus.
Durch das sog. AltersteilzeitG vom 25. September 1996 (BGBl I S. 1461) wurde das Rentenalter schrittweise auf 65 Jahre angehoben. Die Rente verringert sich anteilig für jeden Monat, um den sie wegen vorangegangener Arbeitslosigkeit vorzeitig in Anspruch genommen wird, um 0,3%. Weil der Kläger erst im November 2006 sein 65. Lebensjahr vollenden wird und der 60-Monatszeitraum, für den er von der Beklagten das Ausgleichsgeld bezieht, bereits am 31. Oktober 2002 endet, wird er u. U. gezwungen sein, die gesetzliche Altersrente vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Das hätte nach der Änderung des gesetzlichen Rentenrechts eine Verminderung der Rente von unstreitig 17,7% zur Folge.
Der Kläger hat mit seiner am 5. September 1997 eingegangenen Klage zunächst die Rechtsunwirksamkeit der mit Schreiben vom 30. Juni 1995 zum 31. Oktober 1997 ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht sowie seine Weiterbeschäftigung verlangt. Weil das Arbeitsgericht durch rechtskräftigen Beschluß vom 15. April 1998 den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückwies, begehrt der Kläger nunmehr in erster Linie seine Wiedereinstellung, hilfsweise einen finanziellen Ausgleich.
Er hat geltend gemacht, die Geschäftsgrundlage der mit der Beklagten getroffenen Aufhebungsabrede sei durch die eintretende Rentenminderung von 17,7% weggefallen. Man sei 1995 davon ausgegangen, daß sich an der Rechtslage nichts ändern würde. An eine Neuregelung des Rentenrechts hätten weder er noch die Beklagte gedacht. Die einverständliche Hinnahme der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung sei rechtsdogmatisch als Aufhebungsvertrag zu werten. Mit dem Fortfall der Geschäftsgrundlage sei auch diese einvernehmliche Vertragsbeendigung entfallen. Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen wieder einzustellen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 120.000, –, hilfsweise ab 1. Dezember 2002 monatlich DM 500, – zu zahlen,
höchst hilfsweise,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die durch Kürzung der gesetzlichen Altersrente gemäß § 41 Ab...