Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung eines Arbeitverhältnisses. Sachgrund der Vertretung eines erkrankten Arbeitnehmers. Darlegung der Rückkehrprognose
Leitsatz (redaktionell)
Für die Prognose bei der befristeten Einstellung einer Vertretungskraft für eine erkrankte Stammkraft gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast, wonach dem Arbeitgeber im Regelfall eine tatsächliche Vermutung zugute kommt, dass ein erkrankter Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig werden und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird. Macht der befristet eingestellte Arbeitnehmer aber Umstände geltend, aus denen sich ggf. für den Arbeitgeber erhebliche Zweifel an der Rückkehr der vertretenen Stammkraft aufdrängen konnten, muss sich der Arbeitgeber hierzu substantiiert erklären. Der Arbeitgeber kann sich dann nicht auf die Behauptung beschränken, er sei von der Rückkehr der zu vertretenden Stammkraft ausgegangen und ernsthafte Zweifel hieran hätten bei ihm nicht vorgelegen.
Normenkette
BGB § 620; BeschFG 1985 Art. 1 § 1 Abs. 1, 3, 5; KSchG § 7
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 19.09.2001; Aktenzeichen 19 Ca 20/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. September 2001 – 19 Ca 20/01 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung des zwischen Ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2000.
Die Klägerin war seit dem 23.03.1998 bei der Beklagten als Stationsfrau beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lagen einschließlich des letzten Vertrages insgesamt fünf befristete Arbeitsverträge zu Grunde. Der erste Vertrag vom 26. März 1998 war befristet auf die Zeit vom 23. März 1998 für die Dauer des Erziehungsurlaubs der Stelleninhaberin, Frau S. S., längstens jedoch bis zum 15. Juni 1999 (Anlage K 4, Bl. 12 f. d. A.). Der zweite Arbeitsvertrag der Klägerin wurde am 14.07.1999 für die Zeit vom 12.07.1999 bis zum 13.09.1999 geschlossen und dessen Befristung auf das BeschFG gestützt. Der anschließende dritte Vertrag, der nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin ebenfalls auf das BeschFG gestützt war, ist von den Parteien nicht zur Akte gereicht worden. Der vierte Arbeitsvertrag vom 08. November 1999 war für die Zeit vom 13. November 1999 für die Zeit bis zur Rückkehr der erkrankten Stelleninhaberin C. P., längstens jedoch für die Zeit bis zum 31. Dezember 1999 abgeschlossen worden (Anlage B 5, Bl. 229 f. d. A.). Der fünfte und letzte Arbeitsvertrag wurde am 16.12.1999 für die Zeit vom 01.12.1999 bis zur Rückkehr der erkrankten Stelleninhaberin Frau R., längstens jedoch bis zum 31.12.2000 abgeschlossen (Anlage K 3, Bl. 10 f. d. A.) Mit diesem Arbeitsvertrag wurde zugleich die Arbeitszeit der Klägerin auf 30 Stunden in der Woche reduziert.
Bei Frau R. handelt es sich um eine Arbeitnehmerin der Beklagten, die auf Grund von krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen seit Anfang der 90er-Jahre nicht mehr bei der Beklagten tätig war. Mit Schreiben vom 29.06.1993 (Anlage B 6, Bl. 231 d. A.) verzichtete die Beklagte gegenüber dem Arbeitsamt Hamburg für Frau R. auf ihr Weisungs- und Direktionsrecht. Der Verzicht erfolgte ausdrücklich nur für Zeit der Arbeitsunfähigkeit von Frau R., in der ein Anspruch auf Fortzahlung des Lohnes nicht besteht. Vor dem 12.05.1995 stellte Frau R. einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente.
Aus einem Schreiben der Frau R. vertretenden Rechtsanwälte an die Beklagte vom 29.04.1998 (Anlage B 4, Bl. 97 d. A.) ergab sich, dass Frau R. zunächst Krankengeld und später Leistungen des Arbeitsamtes erhalten hatte sowie dass ihr Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zwischenzeitlich abgelehnt worden war. Aus dem Schreiben ergab sich ferner, dass das Arbeitsamt Hamburg Frau R. eine Frist bis zum 10.06.1998 gesetzt hatte, innerhalb derer eine Klärung über die Wiederaufnahme der Arbeit bei der Beklagten herbeigeführt werden sollte, andernfalls Frau R. die Leistungen gestrichen werden sollten. Die Frau R. vertretenden Rechtsanwälte forderten in dem Schreiben die Beklagte auf, mitzuteilen, ab wann Frau R. die Arbeit wieder aufnehmen kann. Hierzu teilten sie mit, dass unter anderem der Personalärztliche Dienst der Beklagten festgestellt hat, dass Frau R. für vier Stunden täglich arbeitsfähig war. Für einen Arbeitsversuch sprach sich auch der Personalärztliche Dienst der Beklagten aus. Die Beklagte lehnte das Arbeitsangebot von Frau R. unter Hinweis auf organisatorische Gründe ab; eine Wiedereingliederungsmaßnahme erfolgte demgemäß nicht. Über die bis Mai 1998 bekannt gewordenen Fakten hinaus gelangten der Beklagten keine weiteren Fakten zu Kenntnis, die für die Rückkehrprognose von Frau R. von Bedeutung gewesen sein konnten. Über eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes unterrichtete Frau R. die Beklagte zu keiner Zeit. Frau R. schied drei Monate nach Ablauf der vorliegend streitbefangenen Befr...