Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablösung individual- und kollektivrechtliche Regelungen durch Tarifvertrag nach Betriebsübergang. Betriebliche Übung. Auslegung und Reichweite einer Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung
Normenkette
BGB § § 611, 613 I 1, § 613 I 2, § 613 I 4, § 242; BetrVG § 77
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 31.01.1995; Aktenzeichen 25 Ca 238/94) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 31. Januar 1995 – 25 Ca 238/94 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers und um Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf vermögenswirksame Leistungen. Hintergrund des Streites ist, ob im Arbeitsverhältnis die zwischen der Beklagten und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) zum 1. Januar 1994 abgeschlossenen Haustarifverträge anwendbar sind:
Der Kläger ist seit dem 1. Juli 1979 für die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Firma IBM Deutschland GmbH, tätig gewesen und ist in der Niederlassung Hamburg eingesetzt. Der Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IGM). Eine Mitgliedschaft in der DAG besteht nicht.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1993 wurde die IBM Deutschland GmbH in verschiedene Unternehmen aufgespalten, und zwar in die IBM Deutschland Entwicklung GmbH, die IBM Deutschland Produktion GmbH, die IBM Deutschland Informationssysteme GmbH, die IBM Deutschland Systeme und Netze GmbH. die IBM Deutschland Bildungsgesellschaft mbH und die IBM Deutschland Pensionskasse Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging auf die Firma IBM Deutschland Informationssysteme GmbH über. Dieses Unternehmen, die Beklagte, übernahm von den 27,900 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Rechtsvorgängerin 15.000 Beschäftigte in 46 Betrieben der Bundesrepublik.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war tarifgebunden in den Tarifgebieten der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden, Rheinland-Pfalz und Berlin. Weitere Tarifbindungen in anderen Tarifgebieten und damit auch in Hamburg bestanden nicht.
Im Unternehmen der Firma IBM Deutschland GmbH war ein Gesamtbetriebsrat gebildet. Für die Beklagte trat erstmalig am 5. Mai 1993 ein „Ur-Gesamtbetriebsrat” zusammen, der u. a. Beschluß faßte über die Anzahl der Gesamtbetriebsratsmitglieder und über eine Neustrukturierung der Wahlkreise. Am 26. Mai 1993 trat erstmalig das auf der Grundlage der neuen Wahlkreiseinteilung gebildete verkleinerte Gesamtbetriebsratsgremium zusammen.
Für die Arbeitsverträge benutzte die Rechtsvorgängerin der Beklagten bundeseinheitlich ein Muster. In diesem Musterarbeitsvertrag heißt es u.a.:
„Neben den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen ist die IBM-Arbeitsordnung wesentlicher Bestandteil des Arbeitsvertrages.”
In der Arbeitsordnung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 1. Juli, die als Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossen worden ist, heißt es unter Ziffer I 5:
„Die Bestimmungen dieser Arbeitsordnung sind neben den gesetzlichen Vorschriften und den für das Unternehmen geltenden Tarifverträgen Bestandteil des Arbeitsvertrages.”
Die Arbeitsordnung vom 1. Juli 1965 wurde durch die Arbeitsordnung vom 12. Dezember 1974 abgelöst. In der zuletzt gültigen Fassung dieser Arbeitsordnung ist bestimmt, daß die Regelungen der Arbeitsordnung sowie die für das Unternehmen geltenden Tarifverträge Bestandteile des Arbeitsvertrages sind.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten unterhielt in nahezu allen Tarifgebieten Betriebe. Sie wandte überall Metalltarifverträge des Tarifgebiets Nordwürttemberg/Nordbaden an. Dazu wurden Gesamtbetriebsvereinbarungen und auch örtliche Betriebsvereinbarungen abgeschlossen (vgl. etwa die mit Schriftsatz der Beklagten vom 5. September 1994 überreichten Anlagenbände 1–5 (Bl. 59–96 d.A.). So wandte die Rechtsvorgängerin der Beklagten unternehmensweit und nach dem 1. Januar 1993 zunächst auf die Beklagte beispielsweise folgende überregional geltenden Tarifregelungen der Metalltarifverträge an regelmäßig wöchentliche Arbeitszeit (Manteltarifverträge Metall); Sonderzahlungen (Metalltarifverträge über die Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen); Urlaubsvergütung (Urlaubsabkommen im Metallbereich); vermögenswirksame Leistungen (Tarifvertrag Metall über vermögenswirksame Leistungen); Verdienstsicherung (Manteltarifverträge Metall).
Die Arbeitszeit des Klägers betrug ab dem 1. April 1993 36 Stunden wöchentlich. Im April 1994 wurde der Kläger angewiesen, ab dem 1. April 1994 38 Stunden in der Woche zu arbeiten. Gemäß Manteltarifvertrag der Metallindustrie für das Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden vom 5. Mai 1990 beträgt die wöchentliche Arbeitszeit ab dem 1. April 1993 36 Stunden.
Bis zum Dezember 1992 zahlte die Rechtsvorgängerin der Beklagten an die Beschäftigten DM 624,– vermögenswirksame Leistungen pro Jahr. Für 1993 erbrachte die Beklagte diese Zahlung. Für das Jahr 1994 erfolgte eine Zahlung nicht mehr. Bereits unter dem Datu...