Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrentenanpassung aufgrund einer Versorgungsordnung mit Anpassungsvorbehalt. Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den finanziellen Gründen ihrer Anpassungsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Ist in einem Tarifvertrag über eine betriebliche Altersversorgung vorgesehen, dass der Vorstand von einer für den Regelfall vorgesehenen Erhöhung der Betriebsrente entsprechend der Steigerung der gesetzlichen Altersrente absehen kann, wenn er eine solche Steigerung für nicht vertretbar hält, kann dieser Vorbehalt nur in Anspruch genommen werden, wenn auf das Unternehmen bezogene wirtschaftliche Gründe der Bereitstellung der finanziellen Mittel für die regelhaft vorgesehene Betriebsrentenerhöhung entgegenstehen.
Normenkette
BetrAVG § 16; BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1; BGB § 315; ZPO § 258
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 08.08.2017; Aktenzeichen 24 Ca 213/16) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 08. August 2017 (24 Ca 213/16) teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin beginnend mit dem 1. Juli 2017 über den Betrag von € 1.075,94 brutto hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von € 57,83 brutto zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 881,28 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins auf einen Betrag in Höhe von € 16,69 seit dem 02.07.2015, auf € 16,69 seit dem 02.08.2015, auf € 16,69 seit dem 02.09.2015, auf € 16,69 seit dem 02.10.2015, auf € 16,69 seit dem 02.11.2015, auf € 16,69 seit dem 02.12.2015, auf € 16,69 seit dem 02.01.2016, auf € 16,69 seit dem 02.02.2016, auf € 16,69 seit dem 02.03.2016, auf € 16,69 seit dem 02.04.2016, auf € 16,69 seit dem 02.05.2016, auf € 16,69 seit dem 02.06.2016, auf € 56,75 seit dem 02.07.2016, auf € 56,75 seit dem 02.08.2016, auf € 56,75 seit dem 02.09.2016, auf € 56,75 seit dem 02.10.2016, auf € 56,75 seit dem 02.11.2016, auf € 56,75 seit dem 02.12.2016, auf € 56,75 seit dem 02.01.2017, auf € 56,75 seit dem 02.02.2017, auf € 56,75 seit dem 02.03.2017, auf € 56,75 seit dem 02.04.2017, auf € 56,75 seit dem 02.05.2017 und auf € 56,75 seit dem 02.06.2017 zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung von Versorgungsbezügen zum 01. Juli 2015, 01. Juli 2016 und zum 01. Juli 2017.
Die klagende Partei war bis zum 31. Mai 2009 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt in Hamburg. Seit dem 01. Juni 2009 bezieht sie von der Beklagten eine betriebliche Rente.
Die Beklagte ist der Full-Service-IT Dienstleister des deutschen Teilkonzerns der A. Gruppe. Die Beklagte ist in den Achtziger/Neunziger Jahren aus den entsprechenden IT-Bereichen der Versicherungsunternehmen des A. Konzerns, u.a. aus der B. D. L. AG und B. D. S. AG, hervorgegangen.
Die B. errichtete bereits in den 60iger Jahren eine betriebliche Altersversorgung, die als "Betriebliches Versorgungswerk" bezeichnet wurde. Die Ansprüche waren (und sind) in einer Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt, die sich in Grundbestimmungen, Ausführungsbestimmungen und Übergangsbestimmungen gliedert und für Mitarbeiter gilt, die bis zum 31. März 1985 Mitarbeiter eines B.-Unternehmens wurden.
§ 6 der Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks lautet:
"§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (...)
2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.
....."
Im Jahr 1985 richtete die B. sodann eine betriebliche Altersversorgung in Form eines Tarifvertrags ein, die als "Verordnung vom 1. April 1985" ("VO 85") bezeichnet wird und die angelehnt ist an die Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks. Diese tarifliche Versorgungszusage gilt für diejenigen Arbeitnehmer, die ab dem 1. April 1985 Arbeitnehmer eines B.-Unternehmens wurden (§ 1 Ziff. 2 VO 85). Die klagende Partei gehört zum gemäß der VO 85 berechtigten Personenkreis. Gewährt wird u.a. eine Altersrente, die in § 2 der VO 85 geregelt ist.
In § 1 Ziff. 3 VO 85 ist Folgendes bestimmt:
"Auf die Versorgungsleistungen besteht ein Rechtsanspruch.
Die B.-Unternehmen behalten sich vor, ...