Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf einer Versorgungszusage wegen Treuebruchs. Rechtsmissbrauch. Schadensersatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein rechtsmissbräuchliches Berufen auf die Versorgungszusage kann anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer seine Stellung über lange Zeit hinweg dazu missbraucht hat, den Arbeitgeber zu schädigen und so die von ihm erbrachte Betriebstreue sich im Rückblick als wertlos darstellt.

2. Der Widerruf einer Versorgungspauschale dient nicht dazu, auf einfachem und schnellem Wege einen Schadenersatzanspruch zu befriedigen.

 

Normenkette

BetrAVG § 1; BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 05.11.2003; Aktenzeichen 27 Ca 398/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 5. November 2003 – Az.: 27 Ca 398/02 – abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 6.898,72 (i.W.: Euro sechstausendachthundertachtundneunzig 72/100) brutto zu zahlen.
  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Dezember 2001 eine monatliche Pension in Höhe von EUR 862,34 (i.W.: Euro achthundertzweiundsechzig 34/100) brutto aufgrund der bestehenden Pensionsordnung zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Widerruf einer Versorgungszusage. Der 1938 geborene Kläger trat im Jahre 1959 in die Dienste der Beklagten, bzw. deren Rechtsvorgängerin. Ihm wurde im Jahre 1973 eine Pensionszusage erteilt. Im bestehenden Arbeitsverhältnis wurde er im Jahre 1985 zum Geschäftsführer einer Tochter der Beklagten berufen. Mit Aufhebungsvereinbarung vom 17.12.1990 beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis zum 30.6.1991.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellten sich Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Geldern der Beklagten bzw. ihrer Tochterunternehmen seitens des Klägers heraus. Es wurde am 25.9.1991 eine Schadenswiedergutmachung vereinbart und der Kläger verzichtete auf die im Dezember 1990 vereinbarte Abfindung in Höhe von 140.000 DM (Anl. xxx). Noch unter dem 9.6.1992 (Anlxxx.) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass es keine weiteren Manipulationen gäbe. Am 26.8.1993 verurteilte das Arbeitsgericht Limburg den Kläger zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von einer 172.928,60 DM, am 4.1.1996 wurde der Kläger vom Arbeitsgericht Limburg zur Zahlung von weiteren 113.458,79 DM Schadensersatz verurteilt. Am 18.4.1994 verurteilte das Amtsgericht Limburg – Schöffengericht – den Kläger wegen Unterschlagung, Untreue und Betrug zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr fünf Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die Urteile wird Bezug genommen. Im 1.10.1999 kam es einen Vergleich zwischen dem Kläger und dem geschädigten Tochterunternehmen, wonach sich der Kläger zur Zahlung von 80.000,– DM verpflichtete, wobei die Erfüllung zwischen den Parteien im Streit ist. Nachdem der Kläger mit Wirkung ab 1.12.2001 Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen sollte, beantragte er bei der Beklagten Zahlung der Betriebsrente. Die Beklagte widerrief am 1.10.2001 die dem Kläger erteilte Versorgungszusage (Anlagexxx).

Durch das ihm am 19.1.2004 zugestellte Urteil vom 5.11.2003, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 18.1.2004 eingelegte und mit am 19.3.2004 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 5.11.2003 – 27 Ca 398/02 –

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.898,72 EUR zu zahlen;
  2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1.12.2001 eine monatliche Pension in Höhe von 862,34 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung de ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Der Berufung konnte auch in der Sache der Erfolg nicht versagt bleiben. Der Widerruf der Versorgungszusage vom 1.10.2001 seitens der Beklagten ist unwirksam.

1. Die Beklagte stützt den Widerruf auf den Vorbehalt in § 17 Abs. 1 Ziffer 4 ihrer Versorgungsordnung. Verstöße des Arbeitnehmers gegen seine Treuepflicht (§ 242 BGB) können allerdings nach der ständigen Rechtsprechung des BAG den Widerruf der Versorgungszusage nur dann rechtfertigen, wenn Art und Schwere des Verstoßes eine Berufung auf die Zusage als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen (Urteil vom 11. Mai 1982 – 3 AZR 1239/79 – AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Treuebruch; Urteil vom 8. Februar 1983, AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Treuebruch; Urteil vom 3. April 1990 – 3 AZR 211/89 – AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Tr...

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