Leitsatz (amtlich)
(Ersetzt die Einigungsstelle die Zustimmung des Betriebsrates zur Ausrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen, so wirkt dies auf eine entsprechende Anrechnung in der Vergangenheit nicht zurück, sondern nur für die Zukunft.
Kürzt der Arbeitgeber den Dotierungsnehmen für außertarifliche Zulagen und ändert er gleichzeitig unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats die Verteilungsgrundsätze, so ist die Kürzung einer außertariflichen Zulage ohne Veränderung der Verteilungsgrundsätze zulässig und im Wege der Umdeutung auch anzunehmen, wenn davon auszugehen ist, daß die Arbeitgeber zumindest die zulässige, weil mitbestimmungsfreie Anwendung vorgenommen hätte.)
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 28.10.1993; Aktenzeichen 4 Ca 331/93) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. Oktober 1993 – 4 Ca 331/93 – wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 4.023,36 (i.W. Deutsche Mark viertausenddreiundzwanzig 36/100) brutto nebst 4 % Zinsen auf DM 401,40 (i.W. Deutsche Mark vierhunderteins 40/100) brutto seit dem 11. September 1991 und 4 % Zinsen auf DM 3.621,96 (i.W. Deutsche Mark dreitausendsechshunderteinundzwanzig 96/100) brutto seit dem 31. August 1993 zu zahlen.
Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten der I. Instanz tragt der Kläger zu 5/7, die Beklagte zu 2/7.
Die Kosten der Berufung tragen die Parteien je zur Hälfte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob und in welchem Umfang eine außertarifliche Zulage auch ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates vom Arbeitgeber einseitig gekürzt werden kann.
Der am 11. Februar 1941 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Projektingenieur seit dem 1. Mai 1982 beschäftigt. Im Betrieb der Beklagten besteht ein Betriebsrat. Die Beklagte trat am 1. Januar 1991 dem … bei. Der Kläger ist Mitglied der ….
Im April 1991 fand mit Zustimmung des Betriebsrates eine Eingruppierung sämtlicher Mitarbeiter der Beklagten statt, wobei das ursprüngliche Gehalt nunmehr in einem Tarifgehalt, eine tarifliche Zulage und eine außertarifliche Zulage aufgeteilt wurde. Bis zum 1. Juni 1991 bezog der Kläger 4.321,– DM Tarifgehalt, 217,– DM als Tarifzulage in Hohe von 5 % des Tariflohns und eine außertarifliche Zulage in Hohe von 782,– DM.
Zum 1. Juni 1991 fand eine Erhöhung des Tariflohnes für den Kläger auf 4.611,– DM statt. Die Beklagte zahlte an den Kläger die tarifliche Zulage in Höhe von nunmehr 231,– DM, reduzierte aber die außertarifliche Zulage auf 518,– DM, so daß schließlich 5.360,– DM brutto an den Kläger geleistet wurden.
Die Beklagte zahlte insgesamt im Mai 1991 an außertariflichen Zulagen in ihrem Betrieb 25.166,– DM und im Juni 1991 20.976,– DM. Damit sank das Zulagenvolumen per 1. Juni 1991 um 16,6 %.
In den Tariflohnerhöhungen zum 1. Juni 1992 und 1. April 1994 wurde die außertarifliche Zulage unberührt gelassen und weiterhin in Hohe von 518,– DM berechnet.
Eine Zustimmung des Betriebsrates zur Anrechnung der Tariflohnerhöhung 1991 auf die außertarifliche Zulage wurde nicht erteilt. Eine Einigungsstelle wurde erst nach erfolgter Anrechnung eingesetzt. Die Einigungsstelle hat mit Spruch vom 20. Dezember 1993 die Zustimmung des Betriebsrates zur Anrechnungsentscheidung der Beklagten ersetzt.
Der Kläger hat vorgetragen, die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die außertarifliche Zulage sei ohne Zustimmung des Betriebsrates unwirksam, da damit in Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates eingegriffen werde. Eine Anrechnung hatte erst mit Zustimmung des Betriebsrates bzw. Spruch der Einigungsstelle erfolgen dürfen Keinesfalls dürfe die Beklagte die Zulage einseitig kürzen
Der Kläger hat die Fortzahlung einer außertariflichen Zulage von 782,– DM für den Zeitraum vom 1. Juni 1991 bis 30. Juli 1993 unter Einschluß der Jahressonderzahlung und des Urlaubsgeldes begehrt. Im Rahmen einer Differenzrechnung unter Berücksichtigung der gezahlten außertariflichen Zulagen (Bl. 27 d. A.) hat er einen Nachzahlungsanspruch in Hohe von 7.938,48 DM brutto errechnet.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.938,48 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, ohne Zustimmung des Betriebsrates übertarifliche Lohnbestandteile mit tariflichen Lohnerhöhungen zu verrechnen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die endgültigen Ansprüche des Klägers stünden noch nicht fest, da das Einigungsstellenverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Einen Vorschlag der Einigungsstelle, wonach den von der Kürzung betroffenen Mitarbeitern 50 % der Anrechnungsbeträge zurückgezahlt werden sollte, habe der Kläger aus unverständlichen Gründen abgelehnt.
Mit Urteil vom 28. Oktober 1993 – Az.: 4 Ca 331/93 – hat das Arbeitsgericht Hamburg den Feststellungsantrag al...