Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchliche Entschädigungsklage wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung bei der Stellenbewerbung
Leitsatz (amtlich)
Anhaltspunkte für die Feststellung der Rechtsmissbräuchlichkeit einer Entschädigungsklage können sich aus dem Prozessverhalten der klagenden Partei ergeben.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Umstand, dass die Arbeitnehmerin bundesweit in einer Vielzahl von Verfahren als "AGG-Klägerin" auftritt, reicht für sich allein nicht aus, eine Bewerbung als subjektiv nicht ernsthaft erscheinen zu lassen.
2. Hat die Arbeitnehmerin die stellenausschreibende Arbeitgeberin bereits in der Vergangenheit zu Unrecht auf Zahlung von Entschädigungen verklagt und schuldet sie ihr nach wie vor die Kostenerstattung aus einer dieser Rechtsstreitigkeiten, muss der Arbeitnehmerin von vornherein klar sein, dass ihre Bewerbung erfolglos bleiben wird, da von einer Arbeitgeberin nicht erwartet werden kann, dass sie eine Bewerbung berücksichtigt oder dies auch nur ernsthaft in Erwägung zieht, wenn die Bewerberin sie schon mehrfach zu Unrecht verklagt hat und ihr darüber hinaus die Kostenerstattung schuldig geblieben ist; unter diesen Umständen deutet eine erneute Bewerbung darauf hin, dass es der Arbeitnehmerin letztlich nur darum geht, einen Anlass für die Erhebung einer Entschädigungsklage zu schaffen.
3. Hat die Arbeitnehmerin am 19.09.2012 Klage auf Berücksichtigung und Beantwortung ihrer Bewerbungen vom 10.07.2012 erhoben, obwohl sie die Arbeitgeberin noch am 06.09.2012 an ihre Bewerbungen erinnert hatte, kommt es ihr letztlich auf eine erneute gerichtliche Auseinandersetzung mit der Arbeitgeberin an; denn eine Bewerberin, der ernsthaft an einer Berücksichtigung gelegen ist, wartet zunächst ab, ob in angemessener Zeit nach ihrem Erinnerungsschreiben eine Absage oder eine sonstige Reaktion der Arbeitgeberin erfolgt, wobei insoweit zumindest ein Zeitraum von einem Monat angemessen erscheint, da Bewerbungsvorgänge (abhängig von der Anzahl der Bewerbungen und der Komplexität des Auswahlverfahrens) mitunter erhebliche Zeit benötigen.
4. Hat die Arbeitnehmerin ihren Klageantrag auf unbegrenzte Zahlung von monatlich 1.000 EUR (3.000 EUR) damit begründet, dass nach den vorausgegangenen Absagen der Arbeitgeberin in den Jahren 2003, 2010 und 2011 offensichtlich ihre Bewerbungen unabhängig von ihrer Qualifikation aussichtslos sind und es ihr nicht zuzumuten ist, sich weiter auf die ständig veröffentlichten Stellenanzeigen der Arbeitgeberin zu bewerben und Absagen zu bekommen, weshalb die Arbeitgeberin ihr zeitlich unbegrenzt den geforderten monatlichen Betrag zahlen muss und es somit selbst in der Hand hat, diese Verpflichtung zu beenden, indem sie die Arbeitnehmerin ohne Probezeit einstellt, zeigen diese Darlegungen, dass die Arbeitnehmerin ersichtlich kein ernsthaftes Interesse an ihren Bewerbungen hat sondern lediglich einen Grund dafür sucht, sich von der Arbeitgeberin künftig ihren Lebensunterhalt bezahlen zu lassen; eine Bewerberin, die ernsthaft an einer Stelle interessiert ist, verlangt von der Arbeitgeberin nicht, sie ohne Probezeit einzustellen.
5. Hat die Arbeitnehmerin auf den Einwand des Rechtsmissbrauch erwidert, dass es der Arbeitgeberin freisteht, selbst auszuprobieren, wie es ist, dauerhaft arbeitslos zu sein, von Hartz IV zu leben, zahllose Bewerbungen zu schreiben und Absagen zu bekommen, um auf diese Weise zu verstehen, was man in so einer Situation alles machen kann und will und wie es sich anfühlt, weist auch dieser Umstand auf die Zielrichtung einer, mit der die nach eigenem Bekunden mittellose und hoch verschuldete Arbeitnehmerin einen Zahlungsantrag stellt, der zu einem sehr hohen Streitwert und für die Arbeitgeberin wegen der spätestens in zweiter Instanz erforderlichen anwaltlichen Vertretung zu Kosten von mindestens 4.500 EUR führt und eine Kostenerstattung angesichts der finanziellen Situation der Arbeitnehmerin ausgeschlossen ist.
6. Eine verfahrensrechtliche Vorgehensweise, die letztlich dem Versuch der Erlangung einer Einnahmequelle und zugleich der Schädigung der Prozessgegnerin dient, ist rechtsmissbräuchlich.
Normenkette
AGG §§ 1, 15 Abs. 2, § 22; BGB § 242; AGG § 7 Abs. 1; ArbGG § 9 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 02.05.2013; Aktenzeichen 5 Ca 370/12) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. Mai 2013 - 5 Ca 370/12 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung einer Entschädigung wegen behaupteter Benachteiligung bei einer Stellenbewerbung. Die Klägerin ist über 50 Jahre alt und russischer Herkunft. Sie hat ein Informatikstudium absolviert.
Die Klägerin ist im Zusammenhang mit Klagen auf Zahlung von Entschädigungen wegen behaupteter Diskriminierung bundesweit aktiv. Auch die Beklagte war bereits in der Vergangenheit zweimal von der Klägerin auf Zahlung von Entschädigu...