Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbegriff
Leitsatz (redaktionell)
1. Bleibt die gesamte Organisation in den Händen einer ausländischen Muttergesellschaft und besteht in Deutschland lediglich eine „Briefkasten”-Firma ohne betriebliche Strukturen und hat der deutsche Geschäftsführer keine nennenswerte Leitungsfunktion im operativen Geschäft, so handelt es sich um keinen Betrieb i.S.v. § 23 KSchG.
2.Der Kündigungsschutz nach dem KSchG ist nicht unternehmensübergreifend ausgestaltet.
Normenkette
KSchG §§ 23, 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Teilurteil vom 26.04.2002; Aktenzeichen 11 Ca 470/00) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. April 2002 – 11 Ca 470/00 – abgeändert und die Klage hinsichtlich der Anträge 1) – 3) abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Die Entscheidung über die weiteren Kosten bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der mit Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 18. Oktober 2000 zum 30. April 2001 und mit einem weiteren Schreiben vom 22. März 2001 zum 30. September 2001 ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen sowie den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.
Der Kläger ist aufgrund des undatierten schriftlichen Arbeitsvertrages (Anlage K 1, Bl. 4 f. d.A.) seit dem 1. Juni 1999 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden: Beklagte) als Business Development Executive (BDE) beschäftigt. Gesellschafterin der Beklagten ist ein englisches Unternehmen, das sich weltweit in der Branche der Unternehmensberatung betätigt.
Mit dem Kläger wurde ein Festgehalt von jährlich DM 291.000,00 vereinbart. Zusätzlich war ihm im ersten Jahr seiner Beschäftigung ein Provisionseinkommen in der gleichen Höhe garantiert. Seit dem 1. Oktober 2000 bezieht der Kläger ausschließlich das Festgehalt.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2000, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgemäß zum 30. April 2001. Mit einem weiteren Schreiben vom 22. März 2001 kündigte die Beklagte vorsorglich erneut zum 30. September 2001.
Mit der bei Gericht am 7. November 2000 eingegangenen Klage und der Klagerweiterung vom 27. März 2001 hat sich der Kläger u.a. gegen die Kündigungen gewandt, die er für sozial ungerechtfertigt und daher unwirksam hält. Ferner hat er seine Weiterbeschäftigung zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Business Development Executive begehrt.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgerechte Kündigung vom 18. Oktober 2000, zugegangen am 18. Oktober 2000, nicht zum 30. April 2001 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über diesen Termin hinaus fortbesteht;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 22. März 2001 nicht zum 30. September 2001 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über diesen Termin hinaus fortbesteht;
- die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Business Development Executive bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen;
a. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger schriftlich umfassend und detailliert Auskünfte über die in der Zeit vom 1.1.2001 bis zum 31.12.2001 verdienten Provisionen zu erteilen und hierbei insbesondere Auskunft über die Höhe des Umsatzes zu erteilen, den die Beklagte mit dem Geschäft Firma E. aus M. erzielt hat;
b. die Beklagte zu verurteilen, die eidesstattliche Versicherung auf die nach Ziff. a abgelegte Auskunft/Rechenschaft zu leisten;
c. die Beklagte zu verurteilen, die sich aus der Auskunft ergebenden Provisionen an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen: Das Kündigungsschutzgesetz sei nicht anwendbar. Die Beklagte unterhalte in Deutschland keinen Betrieb, weder im Sinne des betriebsverfassungsrechtlichen noch des kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriffs. Sie bilde keine organisatorische Einheit. Die Beklagte sei zwar im Handelsregister eingetragen. Dies habe aber allein steuerrechtliche Hintergründe. Weder gäbe es ein Büro, von welchem aus der Einsatz der Mitarbeiter zentral gesteuert wird, noch finde eine irgendwie geartete organisatorische Abstimmung zwischen den Mitarbeitern statt. Am Unternehmenssitz in Frankfurt werde lediglich ein Postfach unterhalten. Die Mitarbeiter des Unternehmens arbeiteten eigenständig von zu Hause aus bzw. in den jeweiligen Geschäftsräumen der (potentiellen) Kunden der Beklagten. Zwar sei Frau P.B. eingetragene Geschäftsführerin der Beklagten. Sie habe jedoch keinerlei Weisungsbefugnisse hinsichtlich des operativen Geschäfts in der Bundesrepublik Deutschland. Sie sei Angestellte der P.C.Ltd. und dort zunächst im Bereich Human Resources tätig g...