Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrentenanpassung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit Anpassungsvorbehalt. Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den finanziellen Gründen ihrer Anpassungsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Sieht ein Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung vor, dass die dort geregelte Gesamtversorgung entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung steigen soll, und ist gleichzeitig zugunsten der Arbeitgeberin ein Anpassungsvorbehalt vorgesehen, wonach etwas anderes beschlossen werden darf, sofern die grundsätzlich vorgesehene Steigerung "für nicht vertretbar" gehalten wird, so erfordert das Gebrauchmachen dieses Anpassungsvorbehalts das Vorliegen hinreichender wirtschaftlicher Gründe.
Normenkette
BetrAVG § 16; BetrVG § 77; ZPO § 258
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 13.12.2016; Aktenzeichen 9 Ca 392/16) |
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2016 (9 Ca 392/16) wird geringfügig abgeändert, soweit die Klage zurückgenommen worden ist, und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 01. August 2016 über den Betrag von € 2.779,97 hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von € 149,42 brutto zu zahlen:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 677,08 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von jeweils € 49,96 brutto seit dem 01.07.2015, 01.08.2015, 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015, 01.12.2015, 01.01.2016, 01.02.2016, 01.03.2016, 01.04.2016, 01.05.2016, 01.06.2016 und auf € 149,42 brutto seit dem 01.07.2016 zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung von Versorgungsbezügen zum 01.07.2015 und 01.07.2016.
Der Kläger war bis zum 30. Juni 2010 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt in Hamburg. Seit dem 01. April 2013 bezieht er von der Beklagten eine betriebliche Rente.
Die B. errichtete bereits in den 60iger Jahren eine betriebliche Altersversorgung, die als "Betriebliches Versorgungswerk" bezeichnet wurde. Die Ansprüche waren (und sind) in einer Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt, die sich in Grundbestimmungen, Ausführungsbestimmungen und Übergangsbestimmungen gliedert und für Mitarbeiter gilt, die bis zum 31. März 1985 Mitarbeiter eines B.-Unternehmens wurden.
§ 6 der Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks lautet:
"§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (...)
2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.
...."
Im Jahr 1985 richtete die B. sodann eine betriebliche Altersversorgung in Form eines Tarifvertrags ein, die als "Verordnung vom 1. April 1985" ("VO 85") bezeichnet wird und die angelehnt ist an die Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks. Diese tarifliche Versorgungszusage gilt für diejenigen Arbeitnehmer, die ab dem 1. April 1985 Arbeitnehmer eines B.-Unternehmens wurden (§ 1 Ziff. 2 VO 85). Die klagende Partei gehört zum gemäß der VO 85 berechtigten Personenkreis. Gewährt wird u.a. eine Altersrente, die in § 2 der VO 85 geregelt ist.
In § 1 Ziff. 3 VO 85 ist Folgendes bestimmt:
"Auf die Versorgungsleistungen besteht ein Rechtsanspruch.
Die B.-Unternehmen behalten sich vor, durch Beschlüsse im Vorstand und Aufsichtsrat die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erteilung der Zusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, daß den B.-Unternehmen die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Versorgungsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann."
§ 6 der VO 85 "Anpassung der Renten" lautet:
"1. Die Renten werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.
2. Die Anpassung der Renten erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Die Renten werden angepasst, wenn der Versicherungsfall vor dem 01.12. des Vorjahres eingetreten ist.
4. Hält der Vorstand die Veränderung der Renten nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt ...