Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an einen Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB. Grobe Fehlerhaftigkeit der Zuordnung der Beschäftigten im Falle der Unternehmensaufspaltung i.S.v § 323 Abs. 2 UmwG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für einen Betriebsübergang muss eine auf eine gewisse Dauer angelegte, hinreichend strukturierte und selbstständige wirtschaftliche Einheit auf den neuen Inhaber übergehen. Dies kann sich aus dem Übergang sachlicher und immaterieller Betriebsmittel, aber auch von Personal, Führungskräften und der Übernahme von Arbeitsorganisation und Betriebsmethoden ergeben. Eine im Wesentlichen unveränderte Fortführung der in dieser Einheit geleisteten Tätigkeit muss möglich sein.

2. Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses kann im Falle des § 323 Abs. 2 UmwG (Aufspaltung) gegeben sein, wenn die Zuordnung der Beschäftigten zu den einzelnen Unternehmensteilen in einem Interessenausgleich grob fehlerhaft vorgenommen worden ist. Grobe Fehlerhaftigkeit kann sich z.B. aus einem Verstoß gegen § 613a Abs. 1 BGB oder aus einer böswilligen Umgehung des Kündigungsschutzes der Beschäftigten ergeben.

 

Normenkette

BGB § 613a; UmwG § 323 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 19.11.2015; Aktenzeichen 5 Ca 234/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 07.06.2018; Aktenzeichen 8 AZR 574/16)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. November 2015 - 5 Ca 234/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht und die Beklagte den Kläger weiterbeschäftigen muss.

Der Kläger ist seit dem 01. November 1990 bei der Firma L1 GmbH mit Sitz in N. (im Folgenden: L1) bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig gewesen. Die L1 war auf Verfahren und Prozesse zur systematischen Analyse von Daten in elektronischer Form im Bereich der Abrechnungen im Luftverkehr spezialisiert. Hierzu bot sie Produkte und Lösungen im Bereich Revenue Accounting an und vermarktete diese. Zuletzt waren bei der L1 ca. 300 Mitarbeiter beschäftigt. Hauptauftraggeberin der L1 war deren Muttergesellschaft, die L. AG.

Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der L2 GmbH und Teil des L.-Konzerns. Sie beschäftigt derzeit ca. 120 Mitarbeiter.

Zumindest bis zum 30. Oktober 2014 war der Kläger dem Team H. zugeordnet und dort als Sachbearbeiter (Jobgruppe P.) mit einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von € 3.200,00 tätig. Die zuletzt von dem Kläger ausgeführten Tätigkeiten ergeben sich aus dem Zwischenzeugnis der L1 vom 02. Januar 2014, hinsichtlich dessen Inhalts auf die Anlage K 2 (Bl. 36 ff. d.A.) verwiesen wird.

Die L. AG beschloss zur Restrukturierung und Kostensenkung das konzernweite Programm "S.". Teil dieses Restrukturierungsprogramms ist auch das Projekt "G.". Inhalt dieses Projekts ist u.a. die Verteilung der bislang von der L1 ausgeführten Aufträge an Dritte, konzernangehörige und konzernfremde Gesellschaften im Ausland sowie an eine konzernangehörige Gesellschaft im Inland. Da damit keine Aufträge mehr bei der L1 verbleiben, wurde außerdem die Spaltung der L1 und deren Aufteilung in zwei Gesellschaften, der "L1 neu" sowie der "L2 Hamburg" beschlossen. Eine Zuweisung der Aufgaben sollte danach vorgenommen werden, welche Aufgaben in Deutschland verbleiben oder ins Ausland migriert werden. Diejenigen Aufträge und Prozesse, die weiterhin in Deutschland ausgeführt werden sollten, wurden der L2 Hamburg, der heutigen Beklagten, zugeschrieben. Die nicht der Beklagten zugeschriebenen Prozesse sollten der L1 neu, jetzt der L3 N. GmbH (im Folgenden: L3) zugeordnet werden. Hierbei handelt es sich um solche Aufgaben, die ins Ausland vergeben werden sollten.

Die Betriebsparteien der L1 schlossen in Umsetzung des Restrukturierungsprogramms zunächst einen Interessenausgleich mit Namensliste unter dem 08. Oktober 2013. Die L1 informierte den Kläger sodann mit Schreiben vom 21. Oktober 2013 (Anlage K 4 = Bl. 54 d.A.) von der bevorstehenden Betriebsänderung und teilte ihm mit, dass sie der "L1 neu'" zugeordnet worden sei.

Unter dem 06. März 2014 schlossen die Betriebsparteien der L1 einen weiteren gegenüber dem Interessenausgleich vom 08. Oktober 2013 weitgehend inhaltsgleichen Interessenausgleich mit fest verbundener Namensliste (Anlage K 3 = Bl. 38 ff. d.A.), dessen Inhalt auszugsweise wie folgt lautet:

B. Gegenstand der Betriebsänderung

(1) Im Zuge der Aufspaltung des Unternehmens L1 wird auch der Betrieb N. gespalten und die dort beschäftigten Mitarbeiter auf die "L1 neu" und "L2 Hamburg" aufgeteilt. Die Spaltung des Betriebes wird mit Wirkung zum 01.01.2015 durchgeführt.

(2) Die "L2 Hamburg" wird ihren Betrieb in Hamburg, voraussichtlich auf der L. Basis Hamburg, aufnehmen und dort die sich aus der Anlage 1 ergebenden Bereiche bis zum 31.12.2018 fortführen.

(3) Die "L1 neu" wird am Standort N. ihren Betrieb aufnehmen. Dieser Betrieb wird bis zum 31.12.2019 aufrechterhalten. Zum 31.12.2019 wird der Betrieb vollständig geschlosse...

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