Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzanspruch des Krematoriumsbetreibers gegenüber einem Beschäftigten bei Eigenverwertung von Zahngold

 

Leitsatz (amtlich)

Das Zahngold in der Asche Verstorbener ist herrenlos. Einer Aneignung des Betreibers des Krematoriums stehen Rechte Dritter entgegen, § 958 Abs. 2 BGB. Nehmen Arbeitnehmer das Zahngold an sich, kann der Krematoriumsbetreiber als Geschäftsherr Herausgabe nach den Auftragsregeln verlangen. Bei verschuldeter Unmöglichkeit der Herausgabe haftet der Beauftragte - der Arbeitnehmer - auf Schadensersatz.

 

Normenkette

BGB § § 90, 280, 667, 823, 958, 611 Abs. 1, § 667 Alt. 1, § 667 Alt. 2, § 823 Abs. 1-2, § 958 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 12.09.2012; Aktenzeichen 3 Ca 248/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.08.2014; Aktenzeichen 8 AZR 655/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 12. September 2012 - 3 Ca 248/12 - teilweise abgeändert:

Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin € 255.610,41 (i.W.: Euro zweihundertfünfundfünfzigtausendsechshundertzehn 41/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Februar 2011 zu zahlen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte zu 1 94/100, die Klägerin 6/100.

Die Revision wird für den Beklagten zu 1 zugelassen, für die Klägerin nicht.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über Zahlung von Schadensersatz.

Der am ... 1958 geborene Beklagte zu 1) war seit dem 10. April 1995 bei der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er war zunächst im Krematorium Hamburg-1 als Bediener der Einäscherungsanlage eingesetzt, seit dem 1. Juni 2005 überwiegend im Büro des Krematoriums tätig und führte nur noch aushilfsweise Einäscherungen durch, wobei er im Jahr 2010 mehr als 350 Einäscherungen durchführte. Der Beklagte zu 1) war bei der Klägerin bis zum 20. Oktober 2011 beschäftigt. Er erhielt zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von € 2.746,89.

Bei Einäscherungen sind im Anschluss an die Verbrennung Aschereste von dem mit der Einäscherung befassten Arbeitnehmern auf Edelmetalle und Implantate zu untersuchen. Zahngold und sonstiges Gold sind sodann in ein dafür vorgesehenes Tresorbehältnis zu legen. Der Beklagte zu 1) war u.a. für die Entleerung des Tresorbehältnisses zuständig. Sowohl der Schlüssel für das Tresorbehältnis, als auch ein Entnahme-Aufzeichnungsbuch wurde vom Beklagten zu 1) verwahrt beziehungsweise geführt, streitig ist, ob dies allein durch den Beklagten zu 1) erfolgte und wie lange. Auch hat der Beklagte zu 1) entnommenes Edelmetall gewogen.

Mit Schreiben vom 7. März 2003 (Anlage K2, Bl. 40 d.A.) wurde der Beklagte zu 1) unter anderem darauf hingewiesen, dass an der Leiche befindlicher Schmuck nicht eigenmächtig entfernt oder an Dritte übergeben werden dürfe. Ausgenommen seien der beauftragte Bestatter, die Staatsanwaltschaft oder die Polizei im Rahmen angeordneter Untersuchungen. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass eine Verletzung dieser arbeitsvertraglichen Nebenpflicht neben der Möglichkeit der Kündigung durch den Arbeitgeber auch Schadensersatzansprüche auslösen könne.

In einem weiteren diesbezüglichen Schreiben vom 9. Februar 2004 an den Beklagten zu 1) heißt es, dass Wertgegenstände wie Schmuckgegenstände, Gold und andere sonstige wertvolle Materialien in den Einäscherungsrückständen niemals entnommen werden dürfen (Anlage K3, Bl. 41 d.A.). Sollte es zu erneuten Vorfällen kommen, an denen der Beklagte zu 1) beteiligt sei, werde das Arbeitsverhältnis umgehend fristlos gekündigt und Strafanzeige erstattet.

Mit in diesem Zusammenhang arbeitgeberseitig abgeforderter Erklärung vom 9. Februar 2004 bestätigte der Beklagte zu 1), dass er das Schreiben vom 9. Februar 2004 erhalten, gelesen und verstanden habe. Er erklärte, niemals Wertgegenstände wie Schmuck oder Uhren von Verstorbenen ohne entsprechende Genehmigung ebenso wenig wie wertvolle Materialien, wie z.B. Gold aus Einäscherungsrückständen entwendet zu haben (Anlage K3, Bl. 42 d.A.).

In einer Verfügung der Klägerin vom 9. Februar 2005 (Anlage K4, Bl. 43 d.A.) zum Umgang mit Zahngold, Schmuck und Körperersatzteilen im Anschluss an die Kremation heißt es:

"1. Das mit der Übernahme eines Verstorbenen entstandene Gewahrsamsverhältnis besteht nach der Einäscherung fort. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Zahngold, Schmuckreste und Körperersatzstücke. Sie gehen mit der Kremation in das Eigentum der Hamburger Friedhöfe -AöR- über.

2. Mitarbeiter an den Einäscherungsanlagen sind verpflichtet, in den Einäscherungsrückständen offensichtlich befindliches Zahngold, Schmuckreste und Körperersatzrückstände zu sichern und der durch örtliche Anweisung festgelegten Sortierung zuzuführen.

3. Die Wegnahme der Sachen aus dem Eigentum der Hamburger Friedhöfe AöR wird als Diebstahl angezeigt und hat außerdem arbeitsrechtliche Konsequenzen.

4. Aussortiertes Zahngold, Schmuckreste und Körperers...

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