Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Verlust des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Auswirkung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag auf die betriebliche Altersversorgung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verpflichtet ein Aufhebungsvertrag den Arbeitnehmer zur kompletten Urlaubsnahme vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses und kann der Arbeitnehmer diesen Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verwirklichen, führt dies nicht zu einem Verlust des Urlaubsabgeltungsanspruchs. Denn dieser ist unabdingbar (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG). Die entsprechende Klausel im Aufhebungsvertrag ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

2. Knüpfen Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung an ein Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis wegen Berufsunfähigkeit an, entsteht kein Anspruch des Arbeitnehmers, wenn er aufgrund eines Aufhebungsvertrags aus dem Unternehmen ausscheidet. Eine andere Auslegung oder allein das Bestehen einer Berufsunfähigkeit können rechtlich zu keinem anderen Ergebnis führen.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4, § 13 Abs. 1 S. 3; BGB § 307 Abs. 1 S. 1; GBV zur betrieblichen Altersversorgung § 8 Nr. 2; GBV zur betrieblichen Altersversorgung § 11 Nr. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 26.07.2018; Aktenzeichen 15 Ca 366/17)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 22.06.2021; Aktenzeichen 3 AZN 515/20 (A))

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26.07.2018 (15 Ca 366/17) teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.022,70 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 07.07.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden betrieblichen Berufsunfähigkeitsrente und zu beanspruchender Zuschüsse zu Versicherungsbeiträgen.

Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird gemäß § 69 II ArbGG auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl.141 - 144 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die vom Kläger beanspruchten Zusatzleistungen setzten nach § 11 Nr. 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung (i.F.: GBV) voraus, dass der Arbeitnehmer wegen Berufsunfähigkeit ausgeschieden sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall, da er aufgrund der am 23.12.2012 einvernehmlich vereinbarter Aufhebung seines Arbeitsvertrags mit Blick auf den im Rahmen konzernweiter Umstrukturierungen abgeschlossenen Konzernsozialplan ausgeschieden sei. Dass dem Kläger zum damaligen Zeitpunkt ärztlicherseits zur Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses geraten worden sei, sei allenfalls ein für den Arbeitgeber nicht nach außen getretenes Motiv des Klägers gewesen. Ob der Kläger im Zeitpunkt der Aufhebung objektiv berufsunfähig gewesen sei, sei ebenfalls unbeachtlich, da die Parteien die Beendigung aus betrieblichen Gründen unter Inanspruchnahme einer Abfindung vereinbart hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 144 - 146 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das am 26.07.2018 verkündete und den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.07.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.08.2018 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 29.10.2018 - am 26.10.2018 begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Das Arbeitsgericht sei der Frage, ob bereits vor dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis am 30.06.2013 eine 52 Wochen dauernde Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, die zu einer Berufungsunfähigkeit i.S. der GBV geführt habe, nicht nachgegangen. Diese Voraussetzung sei jedoch mit Wirkung ab dem 29.05.201 zu bejahen, so dass hierdurch der Leistungsfall aus § 8 Nr. 2 GBV ausgelöst worden sei und dem Kläger ein unquotierter Versorgungsbezug ab diesem Zeitpunkt zugestanden habe.

Dass der Kläger Urlaub beantragt und erhalten habe, stehe der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht entgegen. Zur Stellung der Urlaubsanträge habe sich der Kläger durch Ziffer 3.1 des Aufhebungsvertrags veranlasst gesehen. Tatsächlich sei er auch während der als Urlaub gebuchten Zeiten arbeitsunfähig gewesen.

Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers werde durch die Anlagen BK1, 2, 3 und 4 bestätigt. Dass die Atteste teilweise erst zu eine späteren Zeitpunkt ausgestellt worden seien, sei unschädlich, weil sich der Kläger durchgehend in der Behandlung des attestierenden Arztes befunden habe. Schließlich sei noch darauf hinzuweisen, dass der Kläger in dem 52wöchigen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit keinen Bildungsurlaub genommen habe. Dies sei erst im Juni 2013 erfolgt.

Der Kläger könne die Zusatzleistungen auch für die gesamte Dauer seiner Berufsunfähigkeit beanspruchen, da er wegen Berufsunfähigkeit aus den Diensten der Arbeitgeberin aus...

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