Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 19.12.1996; Aktenzeichen 1 Ca 180/96) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Dezember 1996 – 1 Ca 180/96 – abgeändert.
Es wird festgestellt, daß zwischen den Parteien über den 18. März 1996 hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als technischen Aufsichtsbeamten weiterzubeschäftigen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer seitens der Beklagten erklärten Anfechtung des Arbeitsvertrages.
Der am … geborene und verheiratete Kläger war seit dem 01. Oktober 1990 aufgrund eines am 05. bzw. 06. September 1990 von den Parteien unterzeichneten Arbeitsvertrages als Technischer Aufsichtsbeamter im Angestelltenverhältnis für die Beklagte tätig. Zuletzt bezog er eine monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von ca. 7.000,– DM.
Die Beklagte übergab, der Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig, dem Kläger u.a. eine formulierte Erklärung, welche von diesem unterschrieben und nach Abschluß des Arbeitsvertrages bei der Beklagten eingereicht wurde. Diese Erklärung lautet:
„Ich, … erkläre an Eidesstatt, daß ich zu keiner Zeit in Diensten des Staatssicherheitsdienstes der DDR stand oder für ihn tätig war und keine Verstöße gegen Grundsätze der Menschlichkeit begangen habe.”
Im August 1995 teilte der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Gauck-Behörde) in bezug auf den Kläger der Beklagten u.a. folgendes mit:
„Aus den bisher erschlossenen Unterlagen haben sich folgende Hinweise auf eine inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ergeben:
01. |
IM-Kategorie: GI (Geheimer Informator. Kategorie Inoffizieller Mitarbeiter bis 1968); ab April 1970: IMS (Inoffizieller Mitarbeiter für Staatssicherheit) |
02. |
Decknamen: „…”, auch „…” oder „…” |
07. |
Zeitraum der IM-Erfassung: Vom 03.09.1964 bis 27.09.1972 (letzter Treff: 11.08.1971) |
09. |
Ziel der Werbung nach Darstellung des Staatssicherheitsdienstes: Absicherung und Aufklärung des Personalbestandes, insbesondere der Offiziere seiner Einheit mit den Schwerpunkten der politisch-idiologischen Diversion und Verbindung zu negativen Personen in der Umgebung der Dienststelle. |
10. |
Grundlage der Werbung aus der Sicht des Staatssicherheitsdienstes: Politische Überzeugung. |
14. |
Grund für die Beendigung der Tätigkeit nach Darstellung des Staatssicherheitsdienstes: Versetzung in die Reserve, kein Interesse der zuständigen Diensteinheit des MfS an einer Übernahme des IM. |
15. |
Art und Anzahl der Berichte: |
|
Vor der Werbung: 15 Berichte über Treffs der Führungsoffiziere mit der Kontaktperson (KP) … 18 handschriftliche Berichte der KP, mit Klarnamen unterschrieben; |
|
Nach der Werbung: 28 Treffberichte der Führungsoffiziere, 29 handschriftliche Berichte des IM, alle bis auf einen mit Decknamen unterschrieben. |
16. |
Inhalt der Berichte: |
|
Vor der Werbung: Einschätzung von Offiziersschülern und Informationen über Personen in der Umgebung der Dienststelle mit Kontakten zu Armeeangehörigen sowie zur Situation der Einheit; |
|
Nach der Werbung: Einschätzung von Offiziersschülern bzw. Offizieren, Informationen über Meinungsäußerungen zu einem politischen Thema, Westkontakte eines Armeeangehörigen, eine auftragsgemäße Kontaktaufnahme sowie ein Parteiverfahren. |
17. |
Bemerkungen: |
|
- … |
|
- In der Einschätzung vom 30.09.1971 werden die Treffdisziplin des IM, sein Bestreben zur selbständigen Verbindungsaufnahme sowie sein Bemühen, die Aufträge zu erfüllen, hervorgehoben.” |
Mit Schreiben vom 14.11.1995 wandte sich die Beklagte an den Kläger und bat ihn um eine Stellungnahme zu dem Untersuchungsergebnis der Gauck-Behörde. Entsprechende schriftliche Äußerungen des Klägers erfolgten am 26.11.1995 und am 25.12.1995.
Die Beklagte focht daraufhin mit Schreiben vom 01.03.1996, das dem Kläger am 18.03.1996 zuging, den geschlossenen Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an.
Der Kläger hat vorgetragen,
ein Anfechtungsrecht der Beklagten scheide bereits deshalb aus, weil die eidesstattliche Versicherung keinen Einfluß auf die Entscheidung der Beklagten zu seiner Einstellung gehabt habe. Der Kläger habe die Erklärung erst nach Abschluß des Arbeitsvertrages anläßlich einer Einführungswoche Anfang Oktober 1990 in Hamburg unterzeichnet. Zudem sei die Ausübung des Anfechtungsrechtes treuwidrig und damit unwirksam. Im Zeitpunkt der Anfechtung habe das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien seit nahezu 5½ Jahren bestanden. In dieser Zeit habe die Beklagte Gelegenheit gehabt, die persönliche Eignung des Klägers für eine Tätigkeit im Öffentlichen Dienst zu beurteilen. Den entsprechenden Anforderungen sei er jederzeit gerecht geworden. Weiter sei zu berücksichtigen, daß die Tätigkeit des Klägers für den Staa...