Entscheidungsstichwort (Thema)
Parallelentscheidung zu LAG Hamburg 7 Sa 10/21 v. 29.09.2021
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer vertraglich auf zwei Jahre befristeten Entsendung in das europäische Ausland, bei der nach dem Ende des Entsendungszeitraumes die Tätigkeit bei der Arbeitgeberin in Deutschland wieder aufgenommen werden soll, handelt es sich um eine vorübergehende Verrichtung von Arbeit in einem anderen Staat im Sinne des Art. 8 Abs. 2 Satz 2 ROM I-VO.
2. Sind beide Seiten tarifgebunden, so gilt im Falle einer vorübergehenden Auslandsentsendung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 Satz 2 ROM I-VO der Entgelttarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie in Hamburg und Umgebung (TV Entgelt) auch für die Dauer des Entsendungszeitraumes unmittelbar und zwingend. Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass der räumliche Geltungsbereich des TV Entgelt auf im Einzelnen genannte Regionen in Norddeutschland beschränkt ist.
3. In Fällen zwingender Tarifbindung bei vorübergehender Auslandsentsendung hat der entsandte Arbeitnehmer auch während der Dauer der Entsendung Anspruch auf die tarifliche Bruttovergütung. Vereinbaren die Parteien im Entsendungsvertrag die Anwendung eines hypothetischen Steuerabzugsverfahrens, bei dem der Arbeitgeber im Entsendungszeitraum weiterhin einen Betrag in Höhe der bei einer Weiterarbeit in Deutschland anfallenden Lohnsteuer (= hypothetische Steuer) vom Gehalt in Abzug bringt und für den Arbeitnehmer die tatsächlich im Entsendungsland anfallende (höhere oder niedrigere) Steuer zahlt, stellt dies eine Abweichung vom TV Entgelt dar. Das nach dem TV Entgelt geschuldete Bruttogehalt sieht nur den Abzug tatsächlich angefallener Steuern und Sozialabgaben vor. Die vertragliche Vereinbarung des hypothetischen Steuerabzugsverfahren ist jedenfalls dann gem. § 4 Abs. 3 TVG unzulässig und daher unwirksam, wenn sie nicht günstiger als die Regelung des Bruttogehalts nach dem TV Entgelt ist.
4. In den Günstigkeitsvergleich ist der Umstand, dass der Arbeitgeber die im Entsendungsland anfallende Steuer für den Arbeitnehmer übernimmt, einzubeziehen. Weitere dem Arbeitnehmer zustehende entsendungsbedingte Sonderzahlungen (wie z. B. Mietzuschuss, Kaufkraftausgleichszahlungen, Umzugs- und Einrichtungspauschalen u.a.), die dem Ausgleich von finanziellem Mehraufwand aufgrund der Auslandsentsendung dienen, sind im Wege des Sachgruppenvergleichs nicht einzubeziehen. Dies gilt auch für eine sog. Mobilitätszulage, die nicht der Vergütung der Arbeitsleistung als solcher dient, sondern ebenfalls an die Erbringung der Arbeitsleistung gerade im Ausland anknüpft und insoweit die Erschwernisse ausgleichen soll.
Normenkette
EGV 593/2008 Art. 3 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1-2; BGB §§ 307, 309, 310 Abs. 4, §§ 362, 611, 611a; TVG § 4; MTV Metallindustrie Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern § 16; TV Entgelt Metall- und Elektroindustrie Hamburg und Umgebung § 1; TV Entgelt Metallindustrie Hamburg und Umgebung § 3
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 07.12.2018; Aktenzeichen 8 Ca 45/18) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers und unter ihrer Zurückweisung im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 07. Dezember 2018 - 8 Ca 45/18 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.255,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Januar 2018 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.385,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen wie folgt: auf 651,00 € seit dem 01. Februar 2018, auf 651,00 € seit dem 01. März 2018, auf 651,00 € seit dem 01. April 2018, auf 651,00 € seit dem 01. Mai 2018, auf 972,63 € seit dem 01. Juni 2018, auf 972,63 € seit dem 01. Juli 2018, auf 972,63 € seit dem 01. August 2018, auf 972,63 € seit dem 01. September 2018, auf 972,63 € seit dem 01. Oktober 2018, auf 972,63 € seit dem 01. November 2018, auf 972,63 € seit dem 01. Dezember 2018, auf 972,63 € seit dem 01. Januar 2019.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.886,92 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz wie folgt zu zahlen: auf 485,00 € seit dem 01. Februar 2019 bis zum 18. Dezember 2020, auf 328,00 € seit dem 01. Februar 2019, auf 813,00 € seit dem 01. März 2019, auf 813,00 € seit dem 01. April 2019, auf 813,00 € seit dem 01. Mai 2019, auf 1.100,56 € seit dem 01. Juni 2019, auf 1.100,56 € seit dem 01. Juli 2019, auf 1.100,56 € seit dem 01. August 2019, auf 204,56 € seit dem 01. September 2019, auf 204,56 € seit dem 01. Oktober 2019, auf 204,56 € seit dem 01. November 2019.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.964,24 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz wie folgt zu zahlen: auf 245,53 € seit dem 01. Juni 2020, auf 245,53 € seit dem 01. Juli 2020, auf 245,53 € seit de...